Tanja Krombach
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Martin Dzingel erläutert die Situation der deutschen Minderheit in Tschechien alle Fotos auf dieser Seite:
Diskussionen in den Arbeitsgruppen
Die Arbeitsgruppen des Workshops präsentieren ihre Thesen.

Ein vom Deutschen Kulturforum initiierter Jugendworkshop im Rahmen des Treffens des Deutsch-Tschechischen Jugendforums in Dresden

ankündigung

Auf einer sonnigen Terrasse mit Elbblick auf dem Dach der wunderschönen Dresdner Jugendstilvilla der Brücke/Most-Stiftung zur Förderung der deutsch-tschechischen Verständigung und Zusammenarbeit fand ein Workshop über die deutsche Minderheit in Tschechien statt. Für das Plenum des Deutsch-Tschechischen Jugendforums 2009–2011 am 23. April 2010 hatte das Deutsche Kulturforum östliches Europa diesen Workshop angeregt und als Leiter Martin Dzingel, Vorsitzender von jukon, der zentralen Jugend-Kontakt-Organisation der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik, gewinnen können. Gespannt lauschten die Teilnehmer der Veranstaltung, tschechische und deutsche Schüler und Studenten, zunächst seinem Vortrag über die Geschichte und die aktuelle Lage der böhmischen und mährischen Deutschen.

Ein Problem für die deutsche Minderheit ist das fehlende Interesse der deutschstämmigen Jugendlichen an der Bewahrung ihrer Sprache und Kultur. Diese wurde ihnen, wenn überhaupt, meist von den Großeltern vermittelt, während sich die Eltern an die Mehrheitsgesellschaft anpassten, aus Angst vor Diskriminierungen, wie sie die nach dem Zweiten Weltkrieg im Land verbliebenen Deutschen oft und durchaus offiziell trafen. Im Workshop wurde die Frage gestellt, ob die freiwillige Assimilation an die Mehrheitsgesellschaft, die sich ja beispielsweise die Deutschen von ihren türkischen Mitbürgern wünschen, nicht eher zu begrüßen sei. Martin Dzingel gab daraufhin zu bedenken, dass kulturelle und ethnische Vielfalt eine Stärke von Europa sei, weshalb die Europäische Union die Minderheiten ja auch besonders fördere.

In der anschließenden Diskussion wurden mehrere Themenstellungen erarbeitet:

  • Zusammenleben der Mehrheitsgesellschaft und der deutschen Minderheit
  • Einstellung der Jugend gegenüber der deutschen Minderheit
  • internes Leben der Minderheit
  • Einfluss der Sudetendeutschen Landsmannschaft hinsichtlich der Wahrnehmung der deutschen Minderheit durch die Mehrheitsgesellschaft
  • Rolle der deutschen Minderheit im Rahmen der deutsch-tschechischen Beziehungen
  • mögliche Projekte zur Öffentlichkeitsarbeit der deutschen Minderheit
In kleinen Gruppen diskutierten die Workshopteilnehmer die Themen dann aus verschiedenen Perspektiven und entwickelten Ideen zur Öffentlichkeitsarbeit wie eine positive Herangehensweise bei der Darstellung der deutsch-tschechischen Geschichte in Böhmen und Mähren oder ein mögliches Projekt »Finde Dein Deutsch in Tschechien« für Jugendliche mit deutschen Wurzeln.

Ein wenig Schwierigkeiten bereitete den Jugendlichen die Unterscheidung zwischen Minderheiten und Zuwanderergruppen wie den Vietnamesen in Tschechien oder den Türken in Deutschland. Der staatlich anerkannte Minderheitenstatus bringt bestimmte Rechte, etwa in Bezug auf Bildung und Information in der Muttersprache, mit sich, eine über ein oder mehrere Jahrhunderte währende Tradition des Zusammenlebens mit der Mehrheitsgesellschaft ist meist seine Voraussetzung. Den Vietnamesen, die zum Teil bereits seit mehr als fünfzig Jahren in der Tschechischen Republik leben, wurde der Minderheitenstatus 2004 verweigert. Andererseits wurde den Griechen, die Ende der 1940er Jahre als Bürgerkriegsflüchtlinge in die damals kommunistische Tschechoslowakei kamen, der Minderheitenstatus aus politischen Gründen zugebilligt. Die Jugendlichen waren sich darüber einig, dass es sich um einen in erster Linie politischen Begriff handle, der umgangssprachlich aber durchaus auf alle Gruppen mit nichtheimischen Wurzeln übertragbar sei.

Als die Teilnehmer des Workshops ihre Thesen am Nachmittag im Plenum des Deutsch-Tschechischen Jugendforums präsentierten, stellten sie zunächst die Frage: »Was versteht ihr unter einer Minderheit?« Kurios und zugleich interessant war dabei die Antwort eines jungen Mannes aus Westdeutschland, der dazu sagte, dass er einmal in seiner Schulklasse der Einzige mit zwei deutschen Elternteilen gewesen sei. In diesem Zusammenhang wurde die unterschiedliche Herangehensweise an das Thema Minderheiten und Migranten deutlich. Die westdeutschen Jugendlichen hatten oft persönliche Kontakte zu Menschen mit ausländischer Biografie, wodurch sie den Horizont der Diskussion mit ihren Erfahrungen erweitern konnten.

Im Ergebnis gab der Workshop »Deutsche Gegenwart in Tschechien« in Verbindung mit dem am Vormittag ebenfalls veranstalteten Arbeitstreffen zu Migrantengruppen in der Tschechischen Republik den Anstoß zu einer lebhaften und fruchtbaren Auseinandersetzung über den Umgang der tschechischen und der deutschen Mehrheitsgesellschaften mit ihren Minderheiten – unabhängig von der staatsrechtlichen Definition des Begriffs.

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