CD-Cover: Das Hoffmeister-Quartett spielt ETA Hoffmann: Kammermusik

Es spielen Masumi Nagasawa (Harfe) und das Hoffmeister-Quartett sowie Beni Araki (Hammerklavier) und das Trio Margaux

Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann wurde 1776 in Königsberg geboren, wo er nach der baldigen Trennung der Eltern im Hause der mütterlichen Familie Dörffer aufwuchs. Der Knabe zeigte, obwohl er aus Familientradition zum Juristen vorbestimmt war, früh starke Neigung zu den Künsten, zur Musik, der bildenden Kunst und zur Literatur. Und während er tatsächlich in der Folge eine beachtliche Karriere als anerkannter Jurist absolvierte, kennen wir ihn heute als literarischen Klassiker, als Autor der Romane Kater Murr und Die Elixiere des Teufels sowie zahlreicher Erzählungen. Die erfolgreiche schriftstellerische Tätigkeit Hoffmanns begann jedoch relativ spät – in den Bamberger Jahren von 1808 bis 1813. Seine eigentliche künstlerische Verwirklichung sah Hoffmann – neben dem Brotberuf des Juristen – in der Musik. Die Anerkennung als Komponist blieb ihm trotz einiger bedeutender Erfolge – besonders seiner wunderbaren Oper Undine in Berlin 1816 – zu Lebzeiten versagt. Als kompetenter Musikschriftsteller hat Hoffmann jedoch nachhaltig die Entwicklung der Musikkritik befördert. Seine Rezensionen etwa zu Beethovens Instrumentalmusik (der Fünften Symphonie und der Klaviertrios op. 70) gehören zu den Meilensteinen der Musikliteratur überhaupt.

Ersten Unterricht im Klavierspiel erhielt Hoffmann in Königsberg von seinem Onkel Otto Wilhelm Dörffer.Weitere Lehrer waren der Kantor Otto Christian Gladau sowie Carl Gottlieb Richter. Die grundlegenden Kenntnisse im Tonsatz vermittelte ihm jedoch der Königsberger Domorganist Christian Wilhelm Podbielski (1740–1809). Bei ihm lernte er das kompositorische Handwerk, das zu dieser Zeit hauptsächlich aus Generalbass (Harmonielehre) und Kontrapunkt bestand. Gleichzeitig nahm er Zeichenunterricht. Auch während seines Jurastudiums an der Königsberger Universität widmete sich Hoffmann intensiv dem Musizieren und Komponieren, dem Zeichnen und Schreiben. Die musikalischen Kompositionen (Rondos und Lieder) und schriftstellerischen Arbeiten (zwei Romane) dieser Zeit sind freilich verschollen, denn Hoffmann war gegenüber seinen künstlerischen Erzeugnissen sehr kritisch. Die folgenden Lebensstationen brachten weitere musikalische Anregungen.

Im niederschlesischen Glogau, wo Hoffmann von 1796 bis 1798 lebte, unterrichtete ihn vermutlich seine Tante Sophie Dörffer im Gesang. In Berlin vertiefte er in den Jahren 1798 bis 1800 seine kompositorischen Fertigkeiten bei Johann Friedrich Reichardt. Hier komponierte Hoffmann auch sein erstes Singspiel, Die Maske, auf ein eigenes Libretto. Nach Stationen in Posen und Plotzk kam Hoffmann im Jahre 1804 als Regierungsrat endlich nach Warschau, wo er neben seinen dienstlichen Verpflichtungen auch die Zeit fand, im bürgerlichen Musikleben eine wichtige Rolle zu spielen. Er war maßgeblich an der Gründung der Musikalischen Gesellschaft zu Warschau beteiligt, deren Statuten die Leipziger Allgemeine musikalische Zeitung im Oktober 1805 der musikalischen Öffentlichkeit mitteilte. In den regelmäßig stattfindenden Konzerten dieser Gesellschaft machte sich Hoffmann als Kapellmeister einen Namen und konnte wohl auch einige eigene Kompositionen zur Aufführung bringen.

Als Hoffmann in der Folge der Niederlage Preußens gegen Napoleon Anfang 1807 seinen Dienst quittieren musste, hoffte er auf eine neue Anstellung in Berlin. Doch Berlin war damals überfüllt von brotlos gewordenen Beamten, und Hoffmann musste versuchen, seine musikalischen Fähigkeiten für den Lebensunterhalt zu nutzen. Er bot seine Kompositionen verschiedenen Verlagen an und bewarb sich in einer Zeitungsanzeige als Kapellmeister. Schließlich erhielt er ein Engagement als Musikdirektor in Bamberg, wo er, obwohl seine Tätigkeit am Theater von vielen Misserfolgen und Schwierigkeiten geprägt war, bis 1813 lebte und den Weg zum literarischen Metier fand.

Die auf dieser CD veröffentlichten Kammermusikwerke entstanden in jener produktiven Epoche zwischen 1804 und 1809, als Hoffmann seine künstlerische Selbstverwirklichung noch vorrangig als Komponist verfolgte.

Harfenquintett c-Moll (AV 24)

Über die Entstehungsgeschichte des Quintetts für Harfe, zwei Violinen, Viola und Violoncello ist nichts Näheres bekannt. Vermutlich wurde es in Warschau komponiert, wo Hoffmann sicher auch Gelegenheit hatte, es in der Musikalischen Gesellschaft aufgeführt zu hören.

Wie wir Hoffmanns Brief vom 27. Oktober 1807 an den Leipziger Musikverleger Ambrosius Kühnel entnehmen können, hatte Hoffmanns Freund Hitzig das Harfenquintett dem Leipziger Verlag zur Veröffentlichung angeboten. Kühnel hielt das Stück wohl für zu schwierig, um es gewinnbringend in Verlag zu nehmen. Hoffmann erwiderte darauf, man könne die Harfenpartie nicht nur auch auf dem Pianoforte spielen, sondern das Stück mache in der Besetzung mit Klavier auch »eine sehr angenehme Wirkung«. Daher trägt das Werk im Manuskript im Titel die Bezeichnung »Quintett für Harfe oder Fortepiano …«. Am 15. März 1808 schickte Hoffmann das Quintett an den Zürcher Musikverleger Nägeli. Auch dieser druckte es jedoch nicht. Im Jahre 1846 kam das Manuskript mit dem übrigen musikalischen Nachlass Hoffmanns in die Königliche Bibliothek zu Berlin und befindet sich jetzt in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz.

Der erste Satz, Allegro moderato überschrieben, zeigt bereits viele typische Merkmale der Kompositionsweise Hoffmanns. Das achttaktige Thema, das aus zwei kontrastierenden Teilen besteht, wird in der Exposition bereits mehrmals variiert vorgestellt. Die beiden kontrastierenden Motive stellt Hoffmann auch kontrapunktisch gegeneinander. Das motivische Material ist bereits in der Exposition so weit durchgearbeitet, dass die kurze Durchführung nach einigen harmonischen Ausweichungen (nach es-Moll, f-Moll, F-Dur) in die Reprise führt. Der liedhafte langsame Mittelsatz in As-Dur stellt Hoffmanns Gespür für die romantischen klanglichen Möglichkeiten der Harfe deutlich unter Beweis. Der letzte Satz, ein Allegro im 6/8-Takt, bietet der Harfe Gelegenheit, in schwungvollen Sechzehntelgängen im Wechsel mit den Streichern Virtuosität zu zeigen.

Klaviersonate A-Dur (AV 22)

Die Klaviersonate A-Dur ist das einzige zu Lebzeiten Hoffmanns veröffentlichte Instrumentalwerk des Komponisten. Sie erschien 1805 in der von Joseph Anton Franz Elsner in polnischer Sprache in Breslau herausgegebenen Sammlung schöner Musikwerke und polnischer Lieder (Wybór pięknych dzieł muzycznych i pieśni polskich). Elsner, der als späterer Direktor des Warschauer Konservatoriums Frédéric Chopin und den polnischen Volksliedforscher Oskar Kolberg zu seinen Schülern zählte, wirkte zu Hoffmanns Zeiten als Kapellmeister am Warschauer Nationaltheater. Hoffmann hatte ihn bereits in Posen kennengelernt und vertiefte 1804 in Warschau diesen Kontakt. Trotz des frühen Drucks war die Sonate bald vergessen und wurde erst 1967, als der Hoffmann- Forscher Friedrich Schnapp die lange verschollene Sammlung Elsners wiederentdeckte, neu herausgegeben.

Die dreisätzige Sonate folgt dem Modell der klassischen Sonatenform. Der erste Satz, ein elegantes Andante mit spielerischen Zweiunddreißigstel-Figuren, stellt einen regelrechten Sonatensatz dar. Der zweite Satz ist ein Menuett in D-Dur, mit einem eingeschobenen B-Dur-Mittelteil (Minuetto II). Der rasante letzte Satz, Allegro assai überschrieben, ist wiederum ein Sonatensatz, bei dem das zweite Thema mit seinen absteigenden Dreiklängen in der Durchführung für weitreichende harmonische Modulationen genutzt wird.

Klaviersonate f-Moll (AV 27)

Auch die Klaviersonate f-Moll ist wahrscheinlich in Warschau entstanden. Mit seinem Brief vom 27. Oktober 1807 schickte Hoffmann dem Leipziger Musikverleger Ambrosius Kühnel, der gerade das Harfenquintett abgelehnt hatte, eine Liste seiner Instrumental- und Vokalkompositionen, darunter sechs Klaviersonaten, von denen er berichtete, dass sie »von guten Künstlern mit WohlGefallen« gespielt worden waren. Über die Sonaten (die Sonate f-Moll war darunter) fügte er hinzu, sie seien »nach der älteren Art gesezt und bestehen meistens nur in einer Introduzzione im langsamen Tempo und einem darauf folgenden Contra-punctisch gearbeiteten Allegro.« Am 15. März 1808 schickte er die Sonate zusammen mit einer weiteren Sonate und dem Harfenquintett an Nägeli. Offenbar wollte Nägeli insgesamt drei Sonaten drucken. Eine entsprechende Notiz erschien in der Allgemeinen musikalischen Zeitung (No. 37 vom 9. Juni 1808). Noch im Mai 1809 verhandelte Hoffmann mit dem Verleger, der Druck kam jedoch nicht zustande. Das Manuskript befindet sich heute in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz zu Berlin.

In dieser Sonate knüpft Hoffmann einerseits an dem Spätstil Mozarts, seines Idols, an, der zunehmend den »alten Stil« in raffinierten kontrapunktischen Finessen mit klassischer Gesanglichkeit verband. Andererseits verweist das expressive Pathos der Sonate auf Beethoven, den verehrten Zeitgenossen Hoffmanns. Die Sonate beginnt mit einem pathetischen Adagio, dem übergangslos eine chromatische Allegro-Fuge folgt. Nach einem Halbschluss in C-Dur schließt sich ein Larghetto in As-Dur an, in dem ein einfaches Thema sehr interessant variiert wird. Wiederum übergangslos folgt die Wiederaufnahme der Fuge, mit der die Sonate effektvoll schließt.

Grand Trio E-Dur (AV 52)

Das Klaviertrio E-Dur kann als Höhepunkt in Hoffmanns kammermusikalischem Schaffen angesehen werden. Die Entstehungsgeschichte des Werkes, das Hoffmann im August 1809 in Bamberg schrieb, lässt sich anhand seiner Briefe und Tagebücher rekonstruieren.

Als Hoffmann im Herbst 1808 nach Bamberg kam, stellte sich bald heraus, dass er sich auf dieser Position nicht gegen den Konzertmeister durchsetzen konnte. Er beschränkte sich darauf, Schauspielmusiken und andere Gelegenheitskompositionen für das Theater zu schreiben und besserte sein kärgliches Gehalt mit Gesangs- und Klavierunterricht auf. Gleichzeitig begann seine Zusammenarbeit mit der Allgemeinen musikalischen Zeitung in Leipzig, die nicht nur Rezensionen auf musikalische Neuerscheinungen, sondern auch seine musikalische Novelle Ritter Gluck abdruckte. Eine wichtige Einnahmequelle für Hoffmann war auch der Handel mit Musikalien: Er versorgte seine Schüler und die Musik-Liebhaber der Stadt mit Noten, die er in Kommission vom Leipziger Verlag Breitkopf und Härtel (wo auch die Allgemeine musikalische Zeitung erschien) bezog. In dieser Zeit versuchte Hoffmann auch, mit kammermusikalischen Werken etwas dazuzuverdienen. Da er aber selbst kein Klavier besaß, bot er Breitkopf und Härtel an, nicht nur Noten, sondern auch Klaviere in Kommission zu verkaufen. Am 31. Juli bekam er einen Flügel und an den folgenden Tagen vermerkt Hoffmann in seinem Tagebuch intensive Arbeit an einem Trio in E-Dur. Bereits Ende August 1809 konnte er das fertige Trio dem Zürcher Verleger Nägeli zur Veröffentlichung anbieten.

Er war stolz auf seine Komposition, ahnte aber wohl auch, dass sie nicht ganz den Bedürfnissen des Verlags entsprach, der eher leicht spielbare und eingängige Musik für das häusliche Musizieren suchte. Wie auch das Harfenquintett und die Klaviersonaten, die er verschiedenen Verlagen anbot, wurde das Trio nicht gedruckt und war lange Zeit vergessen.

E.T.A. Hoffmann – Kammermusik

Quintett für Harfe und Streichquartett in c-moll (AV 24) 19:44

1. Allegro moderato 7:56
2. Adagio 6:51
3. Allegro 4:57

Sonate für Klavier in A-Dur (AV 22) 15:52

4. Andante 7:33
5. Minuetto I - Minuetto II 3:39
6. Allegro assai 4:41

Sonate für Klavier in f-moll (AV 27) 10:11

7. Adagio e con gravità 3:11
8. Larghetto 5:03
9. Allegro 1:56

Grand Trio in E-Dur (AV 52) 22:59

10. Allegro moderato 11:31
11. Scherzo: Allegro molto 3:20
12. Adagio - Allegro vivace 8:08

Gesamtspielzeit: 69:00

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E.T.A. Hoffmann: 1776-1822 | Chamber music. Kooperation mit Profil-Edition Günter Hänssler. Deutsch-englisches Booklet. Gesamtspielzeit 69:00, € [D] 14,95.

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