Ariane Afsari
1
Alicja Knebel aus Urad (2. v. l.) mit Übersetzer Thomas Sosiński (l.) und Thomas Jurke aus Aurith (3. v. l.) im Gespräch mit Uwe Rada (3. v. r.), Tina Veihelmann und Steffen Schuhmann
Autorin Tina Veihelmann und Moderator Uwe Rada am Lesetisch

Die Choreographie der Veranstaltung war abwechslungsreich und machte dem Salongedanken alle Ehre: Eine Bühne mit zwei Bartischen, Barhocker, Leselampe, im Hintergrund bewegte Bilder der Oder, der Zuschauerraum mit Sesseln, Tischchen und Barhockern bis auf den letzten Platz besetzt. Tina Veihelmann, die Autorin, begann die Lesung mit einer Zustandsbeschreibung der beiden Orte. Das Buch über zwei Grenzdörfer an der Oder, seit 1945 durch den Fluss geteilt, entstand aufgrund eines Projekts, das das Designerkollektiv anschlaege.de zum EU-Beitritt 2004 initiiert hatte.

Man wollte den Aurithern und Uradern die Möglichkeit bieten, miteinander in Kontakt zu treten. Das Mittel dazu war eine Wandzeitung, ein Holzgerüst, an dem man wöchentlich eine neue Geschichte aus dem jeweiligen Dorf gegenüber befestigen konnte. Eine Ausgabe der Wandzeitung zeigte ein lebensgroßes Porträt eines Dorfbewohners und berichtete von dem, was ihn gerade beschäftigte – in deutscher und polnischer Sprache. So stand der Bürgermeister aus Urad auf der Dorfstraße in Aurith und erzählte, dass ihm die mögliche Privatisierung der örtlichen Pumpstation Sorgen bereitet. Am anderen Ufer erfuhr man derweilen von der Wirtin aus Aurith und ihren Schwierigkeiten bei der Gründung ihrer Gaststätte.

Diese unmittelbare Konfrontation erzeugte Überraschung, Belustigung und Neugier – Reaktionen, die man auch dem Publikum im Grünen Salon ansehen konnte, als Tina Veihelmann nach der ersten Leseeinheit mit dem Moderator Uwe Rada, Journalist und Autor zweier Bücher über die Oder, und Steffen Schuhmann, Fotograf und Mitglied von anschlaege.de, über dieses Projekt sprachen. Der Gedanke, es durch ein Buch zu bereichern, so Tina Veihelmann, sei entstanden, als ihr klar wurde, dass die vielen zusammengetragenen Geschichten der Dorfbewohner im Grunde eine einzige, große Geschichte ergeben. Zum Beweis las sie wieder ein paar Textstellen, und es wurde deutlich, aus welcher Quelle die Texte ihre Originalität schöpfen: Trotz der manchmal frappierenden Ähnlichkeiten der Geschichten hüben und drüben ist doch jede von absoluter Einzigartigkeit. Diese Mischung von Unterschiedlichem und Ähnlichen, von der Autorin sehr wach und lakonisch beobachtet und formuliert, zeigt einmal mehr die Bedeutung von Grenzerfahrungen für unsere Wahrnehmung.

Als Tina Veihelmann die Geschichte der »Bar unterm Birnbaum« über Alicja Knebel aus Urad beendete, folgte eine Überraschung: Die Dame war angereist und stellte sich auf dem Podium den Fragen Uwe Radas. Dabei erzeugten ihre trockenen und recht einsilbigen Antworten auf die beredten Erkundigungen des Moderators für viel Heiterkeit im Publikum. Auch ein Gast aus Aurith war anwesend: Thomas Jurke, von seiner Lebenspartnerin liebevoll »Viech« genannt, erzählte von seinem Traum, eine Sägemaschinenfabrik zu eröffnen. Der brandenburgische Wald liege voller Holz, man brauche es nur aufzusammeln. Was andere zum Biotop erklärten, bezeichnete Jurke schlicht als unaufgeräumt. Seine Geschichte hatte Tina ebenfalls vorher gelesen.

Zum Abschluss konnten alle zusammen – Autoren, Dorfbewohner und Moderator – auf dem Podium noch ein bisschen über Aurith/Urad, die Auswirkungen des EU-Beitritts Polens und den Umgang mit Arbeitslosigkeit diskutieren. Den Ausklang bildete eine letzte Leseeinheit eines von Tina Veihelmanns großartigen Texten. Fazit: Buch und Veranstaltung sind ein Glücksfall, weil die Begegnung mit engagierten, freundlichen, nachdenklichen, witzigen und klugen Menschen sowie mit pointiert formulierten Texten immer eine Freude sind.

  • Aurith – Urad. Zwei Dörfer an der Oder

    Buchpräsentation und Diskussion mit den Autoren Steffen Schumann und Tina Veihelmann sowie den beiden Dorfbewohnern Thomas Jurke (aus Aurith) und Alicja Knebel (aus Urad)

Verlag & Medien: Unsere Publikationen

Die Publikationen des Kulturforums richten sich an einen breiten Leserkreis, dem sie die Kulturtraditionen der Deutschen und ihrer Nachbarn im östl...

Wanderausstellungen

Die Ausstellungen des Kulturforums lassen Leben und Kultur vergangener Zeiten wieder auferstehen. Begeben Sie sich mit uns auf Reisen zu den Ostsee...