Editorial
Manchmal fällt sie uns leicht, denn bei manchen Themen liegt das Motiv »auf der Hand«. Zuweilen ist es aber doch recht schwer, eine passende Bildsprache zu finden. Die Rede ist von der Suche nach dem Titelbild. Es darf kein langweiliges Motiv sein. Es soll für das Schwerpunktthema stehen, ohne jedoch (zu) stereotyp zu wirken. Und es soll authentisch sein. Doch gerade bei historischen Themen sind all diese Anforderungen oft nur mit einem Kompromiss zu erfüllen, mit Hilfe von Illustrationsbildern.
Wie lässt sich Auswanderung nach Übersee am besten symbolisieren? Nach mehreren kreativen Prozessen fanden wir, dass Koffer die Thematik gut verdeutlichen. Gepäck beschreibt Migration ganz anschaulich und zugleich auch all die damit zusammenhängenden Problemfelder: Das Mitnehmen und – weil Koffer nur einen beschränkten Platz bieten – das Zurücklassen von Gegenständen. Jeder »trägt sein Köfferchen«, wie man zum mitgebrachten Leid sagt, Kultur und Sprache dagegen lassen sich nicht einpacken und gehen oft verloren.
»Neues Leben in Übersee« lautet der Hefttitel. Passend zu diesem Thema hat das Kulturforum 2015 den Sammelband Nach Übersee. Deutschsprachige Auswanderer aus dem östlichen Europa um 1900 publiziert. Dazu passt eine Reportage der in Neuseeland lebenden Journalistin Doris Neubauer, die sich rund eine Autostunde nördlich von Auckland in das Dorf Pūhoi begeben hat. Dort siedelten sich Mitte des 19. Jahrhunderts Deutsche aus Böhmen an. Die Migration von Wolhyniendeutschen nicht nur nach Übersee wie nach Kanada oder Brasilien, sondern auch nach Sibirien beschreibt der an der Universität von Pittsburgh, PA, Geschichte lehrende Jan Musekamp im Artikel »Aus Wolhynien raus in die Welt«.
Wie Migration nicht nur die Auswanderinnen und Auswanderer, sondern auch die Zielregionen verändert, beschreibt Anitta Maksymowicz, Mitarbeiterin am Museum des Lebuser Landes (Muzeum Ziemi Lubuskiej): Sie schaut sich den Weinanbau in Australien an, der durch Siedler aus der Region um Grünberg/Zielona Góra auf den Kontinent getragen wurde. Dass die miteingewanderte Sprache bis heute lebendig sein kann, davon handelt ein Beitrag von Peter Rosenberg von der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Darin geht es um das Pommerische als Unterrichtsfach in den Schulen Brasiliens.
Zum Schwerpunktthema befragte KK-Redakteurin Renate Zöller den Migrationsforscher Jochen Oltmer, wie die Auswanderung in früherer Zeit konkret aussah, etwa zu Schiff. Passend dazu war KK-Redakteur Markus Nowak im Auswanderungsmuseum in Gdingen/Gdynia. Abseits vom Schwerpunktthema möchten wir Ihnen den Beitrag von Dawid Smolorz empfehlen. Der in Oberschlesien lebende Journalist befasst sich – im 250. Jahr nach der ersten Teilung Polen-Litauens – mit einem ungewöhnlichen Tourismusmagnet, dem Dreikaisereck.
Nun aber viel Vergnügen beim Lesen.
Inhalt
Im Fokus
Epochen I
Aus Wolhynien raus in die Welt
Von Jan Musekamp
Momente I
Böhmisches Erbe
»Way gates« im neuseeländischen Pūhoi
Von Doris Neubauer
Neuigkeiten
- Staatspräsident besucht die deutschsprachige Volksgruppe Sloweniens
- Neues Deutsches Haus in Kasachstan
- Jugendliche konzipieren und gestalten Audioguide
- Musealisierung von Heimatstuben
Epochen II
Touristenmagnet der Belle Epoque und Symbol für die Teilungen Polens
Von Dawid Smolorz
Im Gespräch
»Migration ist ein Normalfall seit Beginn der menschlichen Existenz«
Interview mit Prof. Dr. Jochen Oltmer
Von Renate Zöller
Rezensionen
Deutsche Hinterlassenschaften
Karolina Kuszyk: In den Häusern der anderen. Spuren deutscher Vergangenheit in Westpolen
Von Karolina Szulejewska | mehr zum Buch | Interview in der KK № 1428
Letzte Station auf dem Weg nach Übersee
Das Museum für Emigration in Gdingen | Muzeum Emigracji w Gdyni
Von Markus Nowak
Die Vergangenheit aus der Erinnerung löschen
Judit Kováts: Heimatlos | mehr zum Buch
Von Ingeborg Szöllösi
Momente II
Wein – von den Ufern der Oder nach Down Under
Von Anitta Maksymowicz
Perspektiven II
Sprachrevitalisierung in Brasilien: Pommerisch in der Schule
Von Peter Rosenberg
Veranstaltungen
Mit dem Kulturforum auf dem Filmfestival Cottbus
8. bis 13. November 2022 | weitere Informationen
Das Mädchen im Tagebuch. Auf der Suche nach Rywka aus dem Getto in Łódź
Ausstellung im Gerhart-Hauptmann-Haus Düsseldorf
10. November 2022 bis 28. Januar 2023
Nuntius Alois Muench – Der »Retter Deutschlands«
Vortrag im Sudetendeutsches Haus München
21. November 2022
Lesen und Gewinnen auf der Buch Wien
Das Deutsche Kulturforum östliches Europa auf der Buchmesse Wien
23. bis 27. November 2022 | weitere Informationen
Glanzlichter – Polnische Kunst aus dem Kunstmuseum Bochum
Westpreußisches Landesmuseum Warendorf
27. Oktober 2022 bis 19. Februar 2023
Fundstück
Alter Gedenkort neu rekonstruiert
Das Albertkreuz unweit des ehemaligen Wettiner-Schlosses in Sibyllenort/Szczodre