Bereits auf den Schiffen der Ersten Flotte, die 1788 mit einer Ladung von Sträflingen in Australien eintraf, wurden Rebsorten eingeführt. In New South Wales wurde mit diesen Häftlingen eine Strafkolonie gegründet, und diese legten in der Umgebung von Farm Cove, wo sich heute die Royal Botanic Gardens of Sydney befinden, kleinere Weinkulturen an. Die eigentliche Entwicklung des Weinbaus begann jedoch mit der freien Besiedlung. Eine wichtige Rolle spielte dabei Südaustralien. 1836 wurde dort von der South Australian Company die erste freie Kolonie des Kontinents gegründet, das heißt, es wurden nur freie Siedler aufgenommen. Der Vorsitzende war George Fife Angas, ein Großgrundbesitzer und Philanthrop. Ihm ist es zu verdanken, dass Hunderte Familien von Glaubensflüchtlingen aus Preußen – Lutheraner, Ausgewanderte vom mittleren Oderlauf (dem Grenzgebiet der damaligen preußischen Provinzen Brandenburg, Schlesien und Posen, der heutigen Woiwodschaft Lubuskie) – die deutsche Besiedlung Australiens und damit den dortigen Weinbau begründeten.
Die ersten deutschen Pioniere in Südaustralien waren Lutheraner, die unter der Leitung von Pfarrer Ludwig August Kavel aus Klemzig/Klępsk ab 1838 mit ganzen Familien und sogar Gemeinden in die Siedlung kamen, um sich der religiösen Einschränkung, also der Preußischen Union von Lutherischen und Reformierten zu entziehen. Von ihrem Glauben getrieben, beschlossen sie, in die neue britische Kolonie auszuwandern. Die ersten Gruppen kamen mit den Schiffen Prince George, Zebra, Catharina und Bengalee (1838), Skjold (1841) und George Washington (1844). Diese Flüchtlinge stammten vor allem aus den Bezirken Züllichau/Sulechów, Crossen/Krosno Odrzańskie, Sorau/Żary, Grünberg/Zielona Góra, Freystadt/Kożuchów, Sagan/Żagań, Sprottau/Szprotawa, Bomst/Babimost und Meseritz/Międzyrzecz. Dieses Gebiet stand im Mittelpunkt eines regelrechten »Auswanderungsfiebers«, das zwar mit dem religiösen Exil begann, sich aber ab den 1840er Jahren zu einer wirtschaftlichen Emigration entwickelte, die ein größeres Gebiet erfasste.
In den 1880er Jahren begann sich der südaustralische Weinbau ernsthaft zu entfalten, und das sehr erfolgreich. Die ersten Weinanbaugebiete in Südaustralien befanden sich in den von Deutschen besiedelten Regionen um die Adelaide Hills, das Eden Valley und das Barossa Valley, das als Reminiszenz an die Herkunft seiner Bewohnerinnen und Bewohner »Neu Schlesien« genannt wurde. Die Weinrebe wurde nicht sofort in großem Stil angebaut, unter den ersten Ankömmlingen befanden sich nur wenige Winzer. Vielmehr waren es die idealen Boden- und Klimabedingungen Südaustraliens sowie das Wissen und die Traditionen, die aus dem Gebiet um Grünberg mitgebracht worden waren. Dort wurde seit Jahrhunderten Wein erzeugt, was die Menschen dazu veranlasste, sich auch in ihrer neuen Heimat dem Weinbau und der Weinherstellung zuzuwenden.
Arbeiten an dem Weinstock Kalleske Greenock in den 1930er Jahren. © Archiv Fam. KalleskeViele der preußischen Eingewanderten legten schon kurz nach ihrer Ansiedlung kleine Familienweinberge zum Eigenverbrauch an. Einige produzierten nicht einmal Wein daraus, sondern bauten nur Trauben an. Andere stellten Wein nur für den Eigenbedarf her. Für die meisten war der Weinbau eine Nebenbeschäftigung. Es kamen aber auch Familien, die ihn schon seit Generationen betrieben und diese Tradition von Anfang an mit Blick auf die kommerzielle Weinproduktion ungebrochen fortführten. Ab den 1850er Jahren florierten sowohl der Anbau als auch die Weinproduktion besonders gut. Dazu trug vor allem die wohlhabende Mittelschicht bei, die sich in der Zeit des »Goldrausches« gebildet hatte, denn durch sie stieg die Nachfrage nach dem edlen Tropfen.
Der Geologe Johannes Menge hatte den großen Erfolg des Weinanbaus in Südaustralien schon vorausgesagt. 1840 schrieb er an George Fife Angas: »Man kann sicherlich in Flaxman Valley oder Rhine Valley Reben pflanzen – die Ernte wird großartig sein, und New Silesia wird die Provinz mit so viel Wein versorgen, dass wir ihn so billig trinken können wie in Kapstadt.« Bereits 1844 wurde der erste Weißwein aus dem Gebiet der Mount Lofty Ranges (in der Nähe von Adelaide) an Königin Victoria verschenkt. Zu den beliebtesten Sorten gehören Grenache, Cabernet Sauvignon, Semillon, Chenin Blanc, Riesling, Mataro, Chardonnay, Sauvignon Blanc und vor allem der legendäre Shiraz.
Obwohl die australischen Weintraditionen im Vergleich zu den europäischen noch sehr jung sind, gibt es in Südaustralien einige der ältesten noch existierenden Weinstöcke der Welt, die bereits von den preußischen Pionieren gepflanzt wurden. Obwohl die Reblausplage in den 1880er und 1890er Jahren auch die südliche Erdhalbkugel erreichte, überlebten sie in Südaustralien vor allem dank einer bewussten Politik des Schutzes der Weinberge. Es wurde eine strenge Quarantäne verhängt, die den Schädling eindämmte. Ab der Jahrhundertwende begann Südaustralien eine führende Rolle in der Weinproduktion zu spielen.
Einige dieser südaustralischen Weingüter, deren Ursprünge auf Auswanderer aus verschiedenen Teilen des betreffenden preußischen Grenzgebiets zurückzuführen sind, sind bis heute international berühmt. Die Plantage von Johann Friedrich August Fiedler gilt als die erste professionelle Weinkellerei der Region. Der gebürtige Klemziger, der 1838 nach Australien kam, war von Beruf Wildhüter. In Klemzig hatte er zuletzt ein Gasthaus betrieben, nach seiner Ankunft in Australien legte er in der Nähe von Bethanien/Bethany einen Wein- und Obstgarten an. In den 1860er Jahren gingen der Weinberg und die Weinkeller in den Besitz der Familie Schulz über und werden heute noch unter dem Namen Turkey Flat betrieben. Der Wein wird nach wie vor in der Tradition von Fiedler »von Hand« hergestellt.
Kirche in Gnadenberg © Anitta MaksymowiczDer international wohl bekannteste Wein der Siedler stammt aus dem Familienweingut Henschke. Die Henschke-Weinberge haben Verbindungen zu zwei Orten in der Lebuser Region: zu Kutschlau/Chociule und Groß Dammer/Dąbrówka Wielkopolska. Johann Christian Henschke wanderte 1841 aus Kutschlau aus. Er war von Beruf Maurer und kaufte in Australien Land in der Nähe von Krondorf und North Rhine (dem heutigen Keyneton), wo er Weizen anbaute und später einen Wein- und Obstgarten anlegte. Zunächst stellte er Wein nur für den Eigenbedarf seiner Familie her, ab 1868 dann auch in größerem Maßstab. Eines der bedeutendsten Weingüter der Familie Henschke – der sogenannte Gnadenberg – wurde Anfang der 1860er Jahre von Nicolaus Stanitzki gegründet. Der war 1844 aus Groß Dammer eingewandert und hatte einen Weinberg von achtzig Hektar anlegt, den er später an Henschke verkaufte. Aus diesem Weinberg stammt einer der berühmtesten Weine von Henschke, der Shiraz Hill of Grace, der seinen Namen von der Lage des Gnadenbergs hat. Heute arbeiten bereits die fünfte und sechste Generation der Familie in den Weinbergen von Mount Edelstone, Eden Valley und Hill of Grace.
Wer sich auf die Suche begibt, findet durchaus noch viele weitere, kleinere Winzer, die bis heute ihre europäischen Wurzeln pflegen. Christian Auricht, 1839 aus Klastawe/Chlastawa eingewandert, gründete ein Weingut, das bis in die 1930er Jahre im Besitz der Familie Auricht blieb, dann verkauft wurde, aber 1996 von lokalen Unternehmern übernommen und wieder unter seinem historischen Namen Langmeil betrieben wird. Und Johann Gottlob Schrapels
Weinberge beispielsweise blieben sogar bis heute im Familienbesitz: 1844 kam er aus Nießmenau/Włostów nach Bethanien und pflanzte 1852 seine ersten Weinberge an. Seit den 1980er Jahren werden sie in fünfter Generation weiterbetrieben. Oft verteilten sich die Nachfahrinnen und Nachfahren der ersten Weinanbauenden auch innerhalb von Australien. Johann Georg Kalleske aus Tirschtiegel/Trzciel etwa war 1838 mit seiner Familie nach Australien gekommen, wo er in der Gegend von Greenock begann, Wein anzubauen. Heute wirkt die Familie gleich in mehreren Weingegenden.
Dies sind nur einige Beispiele für die Arbeit und die Leistungen von Winzerinnen und Winzern aus dem Grenzgebiet von Schlesien, Brandenburg und Großpolen. Viele sind in Vergessenheit geraten, von anderen sind nur noch spärliche Informationen erhalten, zum Beispiel in den Programmen der Landwirtschaftsmesse, die in den 1850er Jahren in Angaston und Tanunda stattfand.
Südaustralien, insbesondere das Barossa Tal, das Clare Valley und das Eden Valley, wo die deutschen Traditionen am stärksten ausgeprägt sind, ist eine der dynamischsten Weinregionen der Welt. Großen Anteil haben daran die Rot- und Weißweine, die im 19. Jahrhundert nach traditionellen Methoden von den Immigrantinnen und Immigranten aus Europa angebaut wurden. Einige der Weinberge und Weinkeller sind heute noch in Betrieb und geben ein lebendiges Zeugnis von der Anwesenheit und der Arbeit der Menschen aus dem Gebiet um Grünberg und den ehemaligen Grenzgebieten der Neumark, Schlesien und Großpolen.
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Der Artikel erschien im Magazin
KK – Kulturkorrespondenz östliches Europa
Ausgabe Nr. 1432 | November 2022
mit dem Schwerpunktthema:
Auswanderung: neues Leben in Übersee