Editorial
Vom vele Oarbeide krepeere de Perd,
lautet ein ostpreußisches Sprichwort: »Vom vielen Arbeiten gehen die Pferde ein.« Während manche Bauernweisheit sich hin und wieder bewahrheitet, hat dieser Spruch wohl an Aktualität verloren. In unseren Gefilden werden Pferde kaum für die Arbeit eingesetzt. Hier und da kann man in Siebenbürgen noch Pferdewagen im Einsatz oder in Galizien sogar Pferde einen Pflug ziehen sehen, aber auch im östlichen Europa ist das eine Seltenheit. Zum Wohl der Pferde, wenn man dem Sprichwort Glauben schenkt. Und so haben wir auch das Titelbild gewählt, weil eine solche Szene Seltenheitswert hat. Zwei Pferde helfen in einem Weinberg aus. Vielleicht ahnen Sie es schon, es geht in der vorliegenden KK um ein Thema, das für unsere historisch ausgerichtete Redaktion nicht alltäglich ist, aber dennoch gern behandelt wurde: »Tiere«.
Auf den ersten Blick mögen Tiere mit der Kultur und dem Erbe der Deutschen im östlichen Europa nicht viel zu tun haben. Aber das täuscht. Da wären etwa die Trakehner-Pferde, deren Zucht 1732 im ostpreußischen Trakehnen begann, wo Preußens Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. das Hauptgestüt gründen ließ, wie es die Journalistin Tara Gottmann beschreibt. Diese Rasse wird heute auch in anderen Ländern gezüchtet und trabt bei Wettbewerben von einem Sieg zum anderen. Über Pferde und andere Tiere sprach KK-Redakteurin Renate Zöller mit Markus Krzoska. Als Privatdozent widmet er sich den Human Animal Studies, also der Beziehung von Mensch und Tier. »Gerade die Fluchterfahrung schweißte Mensch und Tier zusammen«, sagt Krzoska.
Rund um ein anderes Tier, das in Ostpreußen oft vorkommt, dreht sich der Beitrag von Markus Nowak: Störche. Im »Klappern vom Scheunendach« beschreibt der KK-Redakteur ein masurisches Dorf, wo mehr fedrige als menschliche Einwohner leben. Lesenswert ist auch der Beitrag von Jan Mohnhaupt, in dem es um die Geschichte der Zoos von Breslau/ Wrocław, Königsberg/Kaliningrad und Posen/ Poznań geht, die prägend für die Entwicklung der Tiergärten in Ostmitteleuropa waren. Mohnhaupt hat sich intensiv mit dem Heftthema auseinandergesetzt, etwa in seinem Buch Tiere im Nationalsozialismus.
Lustig wird es im Artikel von Reet Bender. Die Germanistin der Universität Dorpat/Tartu widmet ihren Text droschkenfahrenden Hunden in der deutschbaltischen Kunst. Abseits vom Schwerpunktthema möchten wir den Text von Manfred Kittel empfehlen. Der Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Regensburg legte das Buch Stiefkinder des Wirtschaftswunders vor, in dem er die Politik des Lastenausgleichs behandelt. Am 1. September vor siebzig Jahren trat dieser in Kraft.
Zuletzt auch der Hinweis auf unsere Rezensionen, unter anderem über das vor Kurzem wiedereröffnete Donauschwäbische Zentralmuseum Ulm. Nun aber wünschen wir Ihnen eine tierisch gute Lektüre.
Inhalt
Im Fokus
Momente I
Ein Nilpferd namens Hans
Von Jan Mohnhaupt
Epochen I
Der Lastenausgleich und die Parteiendemokratie
Entschädigung für Kriegseinwirkungen, Spätheimkehrer, Flucht und Vertreibung
Von Manfred Kittel
Neuigkeiten
Perspektiven I
Des Königs letzte Pferde: Mythos Trakehner
Von Tara Gottmann
Im Gespräch I
»Tiere können massiv in die Geschichte eingreifen«
Interview mit Markus Krzoska
Rezensionen
Es war einmal … Von Ingeborg Szöllösi
Am Fluss der Geschichten. Von Thomas Vogel
Margo und ihr Weg nach Deutschland. Von Larissa Mass
Epochen II
Als die Tiere noch im Fuhrmann fuhren
Von Reet Bender
Momente II
Das Klappern vom Scheunendach
Von Markus Nowak
Veranstaltungen
Fundstück