Elegant, intelligent, hart, rittig, leistungsbereit, charakter- und bewegungsstark – das Pferd aus dem ostpreußi-schen Trakehnen wird mit vielen positiven Eigenschaften verbunden und verkörpert als historisches Kulturgut einen speziellen Typ mit einer einmaligen Ausstrahlung. Und das seit dreihundert Jahren. Seit März 2022 wird diese Pferderasse daher als »Immaterielles Kulturerbe der Menschheit« von der UNESCO geführt. Von Tara Gottmann
Juli/August 2022 – Kulturkorrespondenz östliches Europa № 1430
1
Julian Gottschall und seine Trakehnerstute Athene KR bei einem Turnierritt. Foto: © Annette Dölger

»Meine beste Stute, Athene KR, zeichnete sich durch ihre Ausdauer und ihren bedingungslosen Ehrgeiz aus«, schwärmt Julian Gottschall. »Viele sagten, sie hätten selten ein schnelleres Geländepferd gesehen.« Er züchtet in der Nähe von Eisenach Trakehner. Die Liebe zu dieser Pferderasse wurde ihm in die Wiege gelegt, bereits sein Vater ritt immer schon Trakehner. Gottschall reitet »Vielseitigkeit«, die als die »Krone der Reiterei« bezeichnet wird, da die drei Disziplinen Dressur, Springen und ein Geländeritt über feste Hindernisse abgefragt werden. Da liegt der Bund mit den Trakehnern für ihn auf der Hand: »Diese Pferde eignen sich durch ihren hohen Vollblutanteil sehr gut für die Vielseitigkeit. Es sind edle Pferde mit einer Doppelveranlagung für Dressur und Springen.«

Und mit einer langen Geschichte: Bereits im Jahr 1732 ließ Preußens Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. das Hauptgestüt Trakehnen in Preußen gründen, im heutigen Ort Jasnaja Poljana im russischen Oblast Kaliningrad. »Statt seine Kavalleriepferde aus Ungarn und der Ukrai­ne zu beziehen, sollten sie von nun an selbst gezüchtet werden. So sollten Kosten gespart werden«, erklärt Gottschall.

Direkt zu Beginn der Zucht in Trakehnen kamen bereits über tausend Pferde auf dem Gestüt zusammen. Damit wurde der Grundstein für die systematische und ruhmreiche Zucht des ostpreußischen Pferdes gelegt. Die Trakehner waren ursprünglich ausschließlich für Militärzwecke vorgesehen. Ab 1832 konnte Preußen seinen Bedarf an Remonten, also jungen Trakehnern für die Kavallerie, selbst decken. Schon damals galt der Trakehner als das beste Kavalleriepferd der Welt. Seine Qualitätsmerkmale waren Widerstandsfähigkeit, Ausdauer und Anspruchslosigkeit. »Die Pferde hatten die Bereitschaft, nie aufzugeben«, weiß Gottschall. Einer Legende zufolge habe die von Trakehnern gezogene Postkutsche von Berlin nach Königsberg ein bis zwei Tage weniger gebraucht als mit anderen Pferden.

Außenansicht vom Schloss Trakehnen um 1936 | Foto: © Ullstein Bild/RohrbachAußenansicht vom Schloss Trakehnen um 1936 | Foto: © Ullstein Bild/Rohrbach

Gezüchtet wurde und wird bis heute konsequent in Reinzucht, also nur mit der eigenen Rasse, lediglich zur Veredelung wurden englische und arabische Vollblüter eingekreuzt. In der Zeit, als das Gestüt noch in Groß Trakehnen war, hatten 15 Landstallmeister Einfluss auf die Zucht. Die Härte und die scheinbar unerschöpfliche Leistungsbereitschaft sollten sich nach dem Ersten Weltkrieg auch als wichtiger Vorteil für den aufstrebenden Reitsport herausstellen.

In der Zucht wurde weniger nach äußerlichen Merkmalen als vielmehr nach Leistung selektiert, was für die deutsche Pferdezucht revolutionär war. So wurde in Trakehnen zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts Pionierarbeit geleistet. Denn die heutigen Hengstleistungsprüfungen für Junghengste gehen auf dieses Vorbild zurück.

Geprägt wurde der Ansatz durch den Oberlandstallmeister Graf von Lindenau, der zudem alle Pferde des Gestüts anhand des Blutanteils und des Körperbaus in Reit- und Wagenpferde aufteilte. Er trennte die Pferde auf den einzelnen Vorwerken des Gestüts nach Alter, Geschlecht und Farbe. Auch die Stutenherden wurden nach Farben auf die einzelnen Vorwerke aufgeteilt. So gab es beispielsweise eine Rappenherde und auch eine Fuchsherde.

Seit 1787 wird die siebenendige Elchschaufel als Brandzeichen verwendet. Der Elch war das Wappentier Ostpreußens. Wurde ein Pferd im Gestüt Trakehnen geboren, bekam es als Brand die einfache Elchschaufel. Außerhalb Trakehnens geborene, reinrassige Trakehner, bekamen die Doppelschaufel als Brandzeichen.

Mit dem 20. Jahrhundert änderte sich vieles für die Trakehner. Im Ersten Weltkrieg musste das Hauptgestüt Trakehnen evakuiert werden. Die wertvollsten Zuchtpferde wurden in Zügen in Sicherheit gebracht. Die Kavalleriepferde waren an der Front. In der Zwischenkriegszeit änderte sich die Nutzung der Pferde: »Die Zeiten der Kavallerie waren vorbei, Militärpferde wurden nicht mehr gebraucht«, erzählt Gottschall. Nun starteten die Trakehner ihre sportliche Karriere. »Die Zucht wurde umgestellt und rigoros Vollblüter zur Veredelung eingesetzt. Ausdauer und Härte hatte man schon, man wollte mehr Sportlichkeit und hat mehr nach Typ gezüchtet.« Das hatte sehr schnell Erfolg: Bei den olympischen Spielen in Berlin im Jahr 1936 gewannen Trakehner Pferde sechs Goldmedaillen und eine Silbermedaille.

Alles lief gut für die edlen Pferde: Zur Blütezeit der Trakehner veranschlagt man die Population auf 1 200 Hengste und 25 000 Stuten. Auch während des Zweiten Weltkriegs wurde die Zucht vorangetrieben. Noch im Jahr 1944 wurden 750 Hengste für die Trakehner Zucht anerkannt und es gab knapp 14 000 Zuchtstuten. Dann kam der Niedergang. Als Ostpreußen im Kriegswinter 1944/1945 von der Roten Armee eingekesselt wurde, war klar, dass das Gebiet verloren war. »Der Befehl zur Evakuierung kam viel zu spät«, sagt Gottschall. Das Gestüt musste geräumt werden und Menschen und Pferde aus dem ganzen Land machten sich auf die Flucht nach Westen. Der einzig mögliche Weg war über das zugefrorene Frische Haff. Die Verluste auf dem legendären Treck waren groß. Er wurde bei Kälte und wenig Nahrung zu einem Todesmarsch. Die Pferde zogen Wagen durch Tauwasser, das ihnen teilweise bis zum Bauch reichte. Es gab tragende Zuchtstuten, die trotz Fohlen im Bauch an einem Tag bis zu 120 Kilometer zurücklegen mussten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren von der ursprünglich 30 000 Pferde starken Population lediglich 1 500 Trakehner übriggeblieben, darunter 27 Stuten aus dem Hauptgestüt. In den Wirren der Nachkriegszeit waren sie in ganz Deutschland verteilt. Die Trakehner-Zucht stand damit scheinbar vor dem Aus. Das preußische Hauptgestüt Trakehnen, das Herzstück der traditionsreichen Zucht, war unwiederbringlich verloren. Die überlebenden Trakehner Hengste waren in Landgestüten aufgenommen worden, die Stuten waren in der Landwirtschaft des am Boden liegenden Deutschland wichtige Stützen beim Neuanfang nach 1945. Doch die Züchterfamilien aus Ostpreußen wollten ihre Pferderasse nicht aufgeben. Es war ihr erklärtes Ziel, ihre besten Stuten zu retten und so ihre Rasse zu erhalten.

Einige Trecks endeten auf dem Gebiet der späteren DDR. Hier befanden sich nach Kriegsende etwa 660 Trakehner Pferde, darunter 489 Stuten und vier Hengste mit vollständigen Papieren. In Rostock-Dummerstorf wurde beim Institut für Tierzuchtforschung die Reinzucht weiterbetrieben, außerdem auf den Gestüten Graditz und Ganschow. Trakehner Hengste liefen in der DDR erfolgreich im Sport, etwa bei den Olympischen Spielen.

KK 1430 16 19 Tara Gottmann Trakehner Stempel 300x300© IMAGO / RauAuch Gottschalls Athene kommt aus einer dieser DDR-Linien. »Aus dem Osten kommen die Trakehner, die am besten springen können. Nicht nur im Gebiet der ehemaligen DDR, auch in Polen und Litauen werden Trakehner gezüchtet. Nach dem Krieg wurden die meisten Trakehner nach Russland ins Gestüt Kirow deportiert. Dort sind die Springlinien vorherrschend.«

Im Westen Deutschlands wurde nach dem Krieg Schleswig-Holstein zu einem der wichtigsten Gebiete der Trakehner-Zucht. Fritz Schilke, der in Königsberg Geschäftsführer der ostpreußischen Stutbuchgesellschaft war, und Siegfried Freiherr v. Schroetter sorgten nach dem Krieg dafür, dass hier die Zuchtorganisation der Trakehner weitergeführt wurde.

Der Trakehner Verband wurde am 23. Oktober 1947 als Verband der Züchter und Freunde des Warmblutpferdes Trakehner Abstammung e. V. in Hamburg gegründet. Heute ist der Sitz des Verbandes in Neumünster, wo 1962 der erste Trakehner Hengstmarkt mit der sogenannten Hengstkörung durchgeführt wurde. Nur die besten Junghengste werden gekört und dürfen in die Zucht gehen.

Bis heute sind Trakehner beliebte Sport- und Freizeitpferde. Das derzeit bekannteste Trakehner Pferd ist die Stute TSF Dalera BB, die von Sieg zu Sieg trabt und nicht zu schlagen ist. Mit ihrer Reiterin Jessica von Bredow-Werndl ist die braune Stute seit einigen Jahren auf Erfolgskurs im Dressurreiten. 2018 gewannen sie Mannschaftsgold bei den Weltreiterspielen in Tryon (USA). 2021 holten sie erst Einzel- und Mannschaftsgold bei den Olympischen Spielen in Tokio und wurden kurze Zeit später in Hagen in Deutschland Europameisterinnen im Grand Prix Spezial, in der Kür und mit der Mannschaft. Im April 2022 gewannen sie das Dressur-Weltcupfinale in Leipzig.

Daleras sportliche Erfolge zeigen, dass sich die geschichtsträchtige Pferderasse der Trakehner über die Jahrhunderte bewährt hat. Vom Kavalleriepferd wandelte sich diese besondere Rasse zum erfolgreichen Sportpferd und hat heute Anhänger und Fans auf der ganzen Welt.

_____________________________________________________

Titelblatt: KK – Kulturkorrespondenz östliches Europa | Ausgabe: Nr. 1430: Juli/August 2022Der Artikel erschien im Magazin
KK – Kulturkorrespondenz östliches Europa
Ausgabe Nr 1430 | Juli/August 2022
,
mit dem Schwerpunktthema:
Wilde und gezähmte Tiere