Rüdiger Braun
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Elisabeth I. von Rumänien.

Artikel, Sonderseite der Märkischen Allgemeinen Zeitung, 22.12.2003

»Wenn ich mich mit Leuten über Rumänien unterhalte, dann bekomme ich oft zu hören: Ach, das sind doch die Zigeuner dort unten«, sagt Gabriele Samietz. Die Kultur- und Literaturwissenschaftlerin arbeitet seit April 2001 im Deutschen Kulturforum östliches Europa. Dort ist sie unter anderem auch für den Schwerpunkt Rumänien verantwortlich. Nicht zuletzt soll ihre Arbeit negative Klischees aufbrechen und mit einer weitaus komplizierteren Wirklichkeit bekannt machen. Eine günstige Gelegenheit, einen wichtigen Teil der rumänischen Geschichte ins rechte Licht zu rücken, fanden sie und ihre Kollegen, als sie vor zwei Jahren von dem Leiter des Brüder-Grimm-Museums in Kassel, Bernhard Lauer, auf die Person Carmen Sylvas angesprochen wurden. Die gebürtige Prinzessin Elisabeth zu Wied war 1869 aus Deutschland nach Rumänien gekommen und herrschte dort zusammen mit Karl von Hohenzollern-Sigmaringen als erste Königin der Rumänen. Lauer war auf sie aufmerksam geworden, weil sie unter ihrem Dichterinnen-Pseudonym Carmen Sylva Märchen gesammelt und selber welche geschrieben hatte.

»Wir haben uns im Kulturforum gleich überlegt, dass man zu dem Thema eine Tagung machen könnte«, sagt Gabriele Samietz. »Ich denke, der Hauptzweck der Veranstaltung sollte sein, Interesse für Rumänien zu wecken. Das Land soll demnächst auch in die EU kommen. Deswegen ist es wichtig, hier eine Verbindung herzustellen.« Die im Westen in Vergessenheit geratene Königin deutscher Herkunft war für dieses Vorhaben ideal. Als Elisabeth I. brachte sie den lange unter osmanischem Einfluss stehenden Land durch Pflege der rumänischen Sprache und Kultur nicht nur ein neues Selbstbewusstsein zurück. Das engagierte Königspaar leitete auch wesentliche Schritte zur Modernisierung der agrarisch geprägten Region ein. »Sie hat versucht, westeuropäische Kultur ins Land zu bringen«, so Samietz. So wurde unter König Karl I. in Bukarest eine rege Bautätigkeit entfaltet, während sich die Königin für die Mädchen- und Jugendbildung einsetzte und unter anderem die erste Blindenanstalt auf dem Balkan eröffnete. Elisabeth hat so als »Landesmutter«, Schriftstellerin und Mäzenin versucht, Rumänien in den Kreis mitteleuropäischer Staaten zu integrieren.

Die gemeinsam von Kulturforum, der Brüder-Grimm-Gesellschaft und dem evangelischen Forum in Kassel ausgerichtete Tagung mit internationalen Referenten Ende November beleuchtete nach einem Jahr Vorbereitung ein ganzes Feld rumänischer Geschichte des 19. Jahrhunderts und der intensiven Verbindung nach Deutschland. »An sich haben wir gar nicht so viel Interesse erwartet«, sagt Gabriele Samietz, die einen wesentlichen Teil der Vorbereitungen übernahm. »Aber das Publikum verfolgte die Tagung und das dazugehörige Konzert mit großer Aufmerksamkeit.« Wenn nun das Kulturforum im kommenden Jahr auch noch zeigen kann, dass die heute ukrainische Stadt Czernowitz mehr war, als nur die Heimat der Bukowina-Deutschen, wird es ein weiteres großes Stück Aufklärung geleistet haben.