Ariane Afsari
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Das Panel zur Lage auf dem polnischen Buchmarkt bestritten (v. l.): Łukasz Gołębiewski, Herausgeber verschiedener Branchenzeitschriften, Sławomir Paszkiet von der Polnischen Buchkammer (PIK), Nina Klein, Direktorin des Deutschen Buchinformationszentrums (
Titel des Deutschen Kulturforums östliches Europa in der Buchausstellung »Was uns trennt und was uns verbindet – 60 Jahre deutsch-polnische Geschichte im Buch«

Die Veranstaltung wurde vom Deutschen Buchinformationszentrum (BIZ) Warschau in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Historischen Institut (DHI) Warschau und der Polnischen Buchkammer (PIK) organisiert und fand vom 27. bis 28. Januar 2006 im DHI im Pałac Karnickich in Warschau statt

Programm

Teil I | Öffentliches wissenschaftliches Kolloquium

Panel 1 | Forschung über den Nachbarn

  • Prof. Dr. Eduard Mühle
    Zur programmatischen und institutionellen Entwicklung deutscher historischer Forschung über Polen nach 1945

  • Prof. Dr. Jan Maria Piskorski
    Institutionen der wissenschaftlichen Forschung über Deutschland in Polen nach 1945

Panel 2 | Publikationen über den Nachbarn
Panel 3 | Titel, Thesen, Temperamente. Das Buch im deutsch-polnischen Streitgespräch
  • Dr. Andreas Lawaty
    Das Sachbuch im deutsch-polnischen Kulturdialog nach 1945

  • Prof. Dr. Hubert Orłowski
    Das literarische Buch im deutsch-polnischen Kulturdialog nach 1945

Teil II | Deutsch-polnisches Verlegertreffen
  • Łukasz Gołębiewski
    Einführung: Der Buchmarkt in Polen mit besonderer Berücksichtigung geschichtlicher Publikationen

  • Dr. Detlef Felken
    Cheflektor Sachbuch, C. H. Beck Verlag
    Das historische Buch in Deutschland

  • Prof. Dr. Walter Pehle
    Die schwarze Reihe des S. Fischer Verlags – Beispiel für eine erfolgreiche Marketingstrategie

  • Vorstellung von Literatur-Förderprogrammen im Bereich Geschichte

  • Themenbörse
    Verleger und Autoren stellen Buchprojekte/Projekte zur Zusammenarbeit vor

Zusammengefasste Wiedergabe zweier Vorträge

Dr. Peter Oliver Loew
Die Vermittlung von Polenbildern in den beiden Deutschland. Verlage als Akteure im Mediensystem seit 1945

Nach 1945 herrschte noch ein erstarrtes Polenbild in Deutschland, was sich in der geringen Anzahl von Übersetzungen niederschlug. Das Jahr 1959 wurde zum Meilenstein in der Entwicklung des polnischen Segments im deutschen Buchmarkt durch die Publikation des Osteuropa-Handbuchs – Polen von Werner Markerts, erschienen im Wissenschaftsverlag Böhlau. Als Publikumsverlag für polnische Literatur war zunächst nur Kiepenheuer tätig. Dort erschienen Czesław Miłosz und Marek Hłasko. 1959 brachte Karl Dedecius beim Hanser Verlag die Anthologie unbekannter polnischer Poesie heraus, 1962 folgte im gleichen Haus eine Anthologie polnischer Prosa.

Ab den 1960er Jahren entwickelte sich der Suhrkamp-Verlag zum wichtigsten Verlag für polnische Literatur. 1962 erschien Zbigniew Herbert unter dem Verlagschef Siegfried Unseld, der sich sehr für den Aufbau eines polnischen Programms einsetzte. Für die Wahrnehmung beim Publikum war die Einordnung in Reihen wichtig, und so wurden viele polnische Autoren innerhalb der Reihe Bibliothek Suhrkamp oder im Suhrkamp Taschenbuch herausgebracht, neben anderen Autoren der Weltliteratur. Bekanntester polnischer Autor im Bereich Prosa wurde und ist nach wie vor Stanisław Lem. Suhrkamp verfasste sogar eigens einen Polonica-Katalog mit allen lieferbaren polnischen Autoren und ihren Titeln.

1981 wurde die Polnische Bibliothek von Karl Dedecius gegründet und von Andreas Lawaty herausgegeben. Die Bücher dieser Reihe waren mit umfangreichen Anhängen und Kommentaren ausgestattet und informierten den Leser so ausführlich über den eigentlichen poetischen oder Prosa-Text hinaus. Inzwischen sind in der Polnischen Bibliothek 50 Bände erschienen. In den 80er Jahren wollte der Suhrkamp-Verlag, besonders aufgrund der spannenden politischen Entwicklung in Polen durch die Solidarność-Bewegung, weiterhin sein polnisches Segment bewahren, war jedoch zur Entlastung auf Zuschüsse angewiesen, die von der Robert-Bosch-Stiftung kamen, sowie auf eine Auslagerung des Lektorats und der Redaktion, die das Deutsche Polen-Institut Darmstadt übernahm.

Suhrkamp ist bis heute der herausragendste Vertreter polnischer Literatur in Deutschland geblieben. Es erscheint eine neue, geisteswissenschaftliche Reihe Denken und Wissen. Eine polnische Bibliothek, die ebenfalls vom Deutschen Polen-Institut Darmstadt editorisch betreut wird. Auf ähnliche Weise haben auch andere große deutsche Publikumsverlage wie Piper, Claassen, Fischer oder Rowohlt polnische Titel ins Programm geholt, indem sie die komplette Editionsarbeit auslagerten, Zuschüsse beantragten und nur noch für die Produktion verantwortlich zeichneten. So erschien bei Piper der erfolgreiche Titel: Deutsche und Polen. 100 Schlüsselbegriffe, Diogenes landete mit Andrzej Szczypiorski einen enormen Erfolg, Fischer publizierte das Sachbuch Nachbar Polen von Hansjakob Stehle, Suhrkamp konnte mit dem Autor Andrzej Stasiuk einige Bestseller auf den deutschen Buchmarkt bringen. Die Reihe Deutsche Geschichte im östlichen Europa im Siedler-Verlag brachte auch einige Bände zu polnischen Gebieten heraus. Allerdings wird in diesen Publikationen die polnische Geschichte durch die Brille der deutschen gesehen, was dazu führt, dass ein genuines Polenbild in den Hintergrund rückt.

Es ist ein häufiges Phänomen bei Sachbüchern zu polnischen Themen, dass diese unter dem Aspekt der deutsch-polnischen Nachbarschaft gesehen werden, statt dass wirklich rein polnische Problematiken wie der Sarmatismus oder die Adelsrepublik behandelt würden. Als Spezialverlag mit ostmitteleuropäischem Profil hat sich bei der Herausgabe zu polnischen Themen der fibre-Verlag in Osnabrück mit vielen Titeln profiliert.

In der DDR war die Rezeption polnischer Literatur nicht so vielfältig. Die Behandlung von Themen über Polen innerhalb des Sachbuchsektors war aus politischen Gründen sehr heikel. Ende der 40er Jahre brachte noch der Verlag Blick nach Polen einige Titel heraus; er wurde jedoch 1952 aufgelöst, denn die DDR Kulturpolitik wollte den Eindruck vermeiden, dass Polen bevorzugt in der Verlagslandschaft behandelt wird. Danach waren nur noch drei Titel im Sachbuch-Bereich erwähnenswert: Polnische Etüden, Polens Hauptstädte und Rendevous mit Syrena.

Dieser Kargheit auf dem Sachbuch-Sektor stand ein reich entwickelter belletristischer Bereich gegenüber, in dem der Reclam Verlag Leipzig und die Reihe Spektrum des Verlags Volk und Welt führend waren. Wurde anfangs von der Kulturpolitik ältere, unpolitische Literatur aus dem 18. Jahrhundert bevorzugt, so sorgten doch Fürsprecher für die polnische moderne Literatur wie Henryk Bereska und Heinrich Olschowsky für die Aufnahme zeitgenössischer Autoren in die Verlagsprogramme. Dadurch war, ähnlich wie in Westdeutschland ein durch die deutsche Brille getrübtes Polenbild vorherrschte, auch die Wahrnehmnung Polens in der DDR verzerrt – das Polenbild der DDR-Eliten war durch die Literatur geprägt und dementsprechend wirklichkeitsfremd.

Prof. Dr. Marek Zybura
Die Vermittlung von Deutschlandbildern in Polen

In der polnischen Nachkriegsliteratur wurde durch den Rückgriff auf historische Konflikte meist auf die ewige Feindschaft zwischen Polen und Deutschen angespielt. Es gab die so genannten Piasten-Romane, die die neuen West-Gebiete Polens als bereits ewig zu Polen gehörende Region deklarierten und durch grausame Beschreibungen historischer Belagerungsszenen piastischer Burgen durch die Deutschen (z. B. der Burg Nimptsch) auf ähnliche Szenen während des Warschauer Aufstands anspielten. Damit wollten die entsprechenden Autoren auch zeigen, dass die deutsche Geschichte seit den Kreuzrittern ein Kontinuum an Greueltaten darstellt.

Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg war das Deutschlandbild in der polnischen Literatur nicht gerade freundlich; nach dem Krieg konnte es kaum noch schlimmer werden. Darunter litt auch der künstlerische Ausdruck der Autoren: Die Deutschen wurden in der polnischen Literatur fast durchgängig animalisiert und verdinglicht, als entindividualisierte tierische Phänomene dargestellt, indem die Autoren die physiognomische Rezeption des Deutschen in ihren Werken in den Vordergrund stellten: z. B. verglichen sie die Sprache der Deutschen mit den blechernden Tönen eines Grammophonschalltrichters oder dem Bellen eines Hundes. Diese Methode diente der Ausgrenzung der Deutschen aus der menschlichen Gemeinschaft, was letztlich zu ihrer Dämonisierung beitrug.

Die zeitgenössische polnische Literatur beschäftigte sich fast nur mit dem Westen Deutschland, die DDR wurde weitgehend ignoriert. Diesen Punkt hat als einer der ersten Heinrich Olschowsky kritisiert. In den 50er Jahren, in denen man zumindest äußerlich die sowjetische Ideologie unterstützen musste, kamen die Deutschen in der Literatur umso schlechter weg. Sie wurden als Rechtsanwälte, Staatsanwälte, Richter – allgemein als Beamte – gezeichnet, die trotz ihrer Verbrechen im Zweiten Weltkrieg ihre parafaschistische Einstellung und obendrein ihre Arbeitsplätze behalten haben. Eine Ausnahme bildeten unter anderem die Werke von Jan Dobraszynski, Jan Josef Lipski und Zbigniew Herbert.

Ab 1989 begann das vorherrschende Deutschlandbild zu wanken, nicht zuletzt durch Autoren wie Olga Tokarczuk und Paweł Huelle, die die deutsche Vergangenheit bestimmter polnischer Regionen eher unbefangen in ihre eigene Erfahrungswelt integrieren. Seit Ender der 90er Jahre findet jedoch wieder eine neue Art der Auseinandersetzung mit den Deutschen statt; sie betrifft die deutsche Minderheit in Oberschlesien, die für sich eine eigene, schlesische Nationalität in Anspruch nimmt. Die Angehörigen dieser Minderheit werden von den Polen ironisch »Volkswagendeutsche« genannt, was einerseits durch die Assoziation mit der Volksdeutschen Liste das Bild vom Nazideutschen auferstehen lässt, andererseits auf die ökonomischen Vorteile anspielt, die sich die Schlesier von ihrer Abgrenzung erhoffen.

  • www.biz-warschau.org

    Das Deutsche Buchinformationszentrum Warschau im Internet

  • www.dhi.waw.pl

    Das Deutsche Historische Institut Warschau im Internet

  • www.pik.org.pl

    Die Polnische Buchkammer PIK im Internet | Polska Izba Książki w internecie | po polsku

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