Jan Musekamp
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Straßenszene im heutigen Stettin/Szczecin
Prof. Jan M. Piskorski (links), Dr. Hanna Nogossek und Jan Musekamp auf dem Podium in Stettin

Im Rahmenprogramm zur Ausstellung Die Alltäglichkeit der Geschichte. Stettin und das polnische Westpommern 1945–2005 • Eine gemeinsame Veranstaltung des Nationalmuseums Stettin und des Deutschen Kulturforums

In diesem Jahr jährt sich der Übergang Stettins von deutscher in polnische Staatlichkeit zum 60. Mal. Dieses Ereignis nahmen das Nationalmuseum Stettin und das Kulturforum östliches Europa zum Anlass, gemeinsam eine Reihe von Podiumsdiskussionen zu organisieren, die unter dem Titel »Szczecins Dialog mit Stettin. Wege in die Zukunft« stehen.

Stettiner Identität

Über die Fragen der »Stettiner Identität« diskutierten am 6. Oktober der 1941 bei Stettin geborene Prof. Klaus Hinrich Stahmer, der Journalist Bogdan Twardochleb vom Kurier Szczeciński sowie Dr. Wojciech Lizak, der in Stettin einen Antiquitätenhandel betreibt. Die Moderation übernahm der Direktor des Nationalmuseums, Lech Karwowski.

Prof. Stahmer machte in einigen einführenden Worten deutlich, dass er trotz der wenigen in Polchow (heute Pilchowo) bei Stettin verbrachten Jahre sehr genaue Erinnerungen an diese Zeit hat und trotz der Veränderungen, die dort mittlerweile Einzug gehalten haben, diesen Ort in gewisser Weise als Heimat empfindet. Obwohl er seit 36 Jahren in Würzburg wohnt, ist ihm diese Stadt hingegen nie richtig Heimat geworden.

Bogdan Twardochleb machte auf die Probleme deutlich, mit denen die heutigen Stettiner hinsichtlich ihrer Identität zu kämpfen hätten. Über 45 Jahre habe man ihnen einzureden versucht, sie seien »zurückgekehrt« auf »urpolnisches Gebiet«. Die vergangenen 15 Jahre hätten nicht ausgereicht, um diese Indoktrination vollständig zu ersetzen.

Dr. Wojciech Lizak vertrat die kontroverse Meinung, die Probleme der Stettiner Identität seien mit ihrer Herkunft verbunden. So habe die überwältigende Mehrheit der neuen Einwohner bäuerliche Wurzeln, wohingegen nur eine Minderheit aus Städten zugezogen sei.

In der anschließenden lebhaften Diskussion meldeten sich unter anderem einige Nachkriegsstettiner der ersten Stunde zu Wort. Dadurch, dass in Stettin die eigenen Kinder und Enkel wohnten, fühle man sich hier zu Hause – so die einhellige Meinung. Zumindest das anwesende Publikum hatte keine Probleme mit der eigenen Identität.

Stettin – das Gedächtnis der Geschichte

Unter dem Titel »Stettin – das Gedächtnis der Geschichte« diskutierten am 20. Oktober Prof. Jan M. Piskorski, Professor an der Universität Stettin, sowie Jan Musekamp, Doktorand der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Die Moderation des Treffens übernahm Dr. Hanna Nogossek, Direktorin des Kulturforums östliches Europa.

Prof. Piskorski machte eingangs deutlich, das es für ihn als Intellektuellen, der nicht nur in Stettin sondern auch in Posen (Poznań) wohnt, sowie in früheren Jahren längere Zeit auch in Deutschland tätig war, fraglich ist, ob er sich eindeutig als Stettiner fühlen könne. Stettin habe mit dem Bevölkerungsaustausch nach 1945 einen Bruch erlebt, der bis heute spürbar sei. So hätten die Stettiner Eliten noch heute Angst davor, sich nach Außen zu öffnen, ganz im Gegensatz zur Breslauer Elite. Der Stettiner Durchschnittsbürger hingegen habe allerdings wohl keine Probleme damit, sich als Stettiner zu fühlen, obwohl er sich für das Gedächtnis bzw. die Geschichte der Stadt in der Regel kaum interessiere.

Herr Musekamp, der sich in seiner Dissertation mit den Strategien der Stettiner Bevölkerung nach 1945 befasst, sich in der Stadt einzurichten, bezeichnete seine Beschäftigung mit der Stadt als Puzzlespiel. Die zahlreichen, im Stadtbild deutlich sichtbaren Brüche, könne man nur verstehen, indem man sie mühsam zusammensetze. Angesichts der zahlreichen Sechzigjahrfeiern in diesem Jahr könne man sich die Frage stellen, ob diese Stadt nicht an Amnesie leide und ob ihr Gedächtnis nicht stark selektiv sei. Seit 15 Jahren werde ihr jedoch von den heutigen Bewohnern nach und nach ihr Gedächtnis zurückgegeben.

Es schloss sich eine lebhafte Diskussion an, in deren Verlauf mehrfach auf die Tatsache verwiesen wurde, dass man sich heute in der Stadt auch über Wissenschaftskreise hinaus mit der Vorkriegsgeschichte der Stadt befasse. Für die Zukunft könne man davon ausgehen, dass Stettin wieder seine alte Rolle als ein nach Osten und Westen einstrahlendes Oberzentrum zwischen Berlin und Danzig einnehmen werde.

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