Potsdamer Neueste Nachrichten, 17.10.2002, Jan Kixmüller

Rumänien steht derzeit im Mittelpunkt der Tätigkeit des Deutschen Kulturforums östliches Europa. Dafür hat die Potsdamer Einrichtung die Stadt für einige Exkurse verlassen. So läuft bis Freitag noch eine Ausstellung in Wolfsburg, die eine Übersicht über die 800-jährige Literaturgeschichte der Deutschen in den Regionen Siebenbürgen, Banat und Bukowina gibt, die seit dem Ersten Weltkrieg zu Rumänien gehören. Vom Briefwechsel Luthers und Melanchthons mit den Siebenbürger Humanisten bis zu den Werken heutiger rumäniendeutscher Autoren reicht der literaturgeschichtliche Ausblick. Auch in Rumänien selbst wird das Kulturforum, das die Traditionen historischer Siedlungsgebiete der Deutschen im östlichen Europa im Kontext eines gemeinsamen Kulturerbes betrachtet, tätig. Erst am vergangenen Wochenende fand im Goethe-Institut in Bukarest die Tagung „Deportation“ zum Umgang mit Deutschen und anderen Minderheiten im kommunistischen Rumänien statt. „Nach der politischen Wende 1989/90 sind diese Themen kein Tabu mehr“, heißt es vom Kulturforum. Voraussetzung für die Auseinandersetzung mit diesem Thema sei nun ein umfassender, offener und kritischer Blick auf die Vergangenheit – „in den guten wie in den finsteren Kapiteln“.

Auch auf künstlerischer Ebene sucht das Kulturforum den bilateralen Kontakt. So wird die Ensemble-Suite „Transylvaniana“ von Maurice de Martin Ende des Monats doppelte Premiere haben. Nachdem das Berlin Composers Ensemble das Stück am 26. Oktober in Bukarest uraufgeführt hat, folgt am 29. Oktober die deutsche Erstaufführung in Berlin. Die Musik der konzertanten Suite schöpft aus dem breiten musikalischen Erbe des siebenbürgischen Hochlandes, das der Komponist in den Jahren 1997 bis 2000 auf der Suche nach Spuren sächsischer, ungarischer und rumänischer Musik intensiv bereiste. Entstanden ist ein Instrumentalwerk, das in seinen Motiven teilweise auf Manuskripte basiert, die bis ins 16. Jahrhundert zurückgehen und vor allem aus dem deutschen Kulturkreis stammen. „Der Zusammenprall alter lokaler Tradition mit dem modernen westlichen Leben bildet die hörbare gedankliche Grundlage dieser eindrucksvollen Musik“, so das Kulturforum. Die Suite lebt von der Konfrontation zweier extrem unterschiedlicher Komponenten: Einerseits die musikalisch meist einfachen und schönen, traditionellen Balladen, Kinder-, Liebes-, Toten und Trinklieder der Siebenbürger Sachsen als Sinnbild für Kultur und Geschichte in Transsilvanien; andererseits die elektronischen Klangflächen, die mit rau-urbanem Puls verbunden zum Symbol für Veränderungen und eine neue Zeit werden.

Am 28. November schließt sich dann das IV. Potsdamer Forum zur deutsch-polnischen Geschichte an. Im Alten Rathaus (19 Uhr) geht es um den Charakter des gemeinsamen Kulturerbes.

Jan Kixmüller

Potsdamer Neueste Nachrichten: In guten wie auch in finsteren Kapiteln

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