Jochen Marmit

SR 2 Radio – Bücherlese – Das Literaturmagazin bei SR 2 KulturRadio • 29.05.2004

Caspar David Friedrich fand hier Inspiration und hielt die aufsteigenden Nebel vor den Zügen des Riesengebirges in Öl fest. Johann Wolfgang von Goethe verschlug es hier fast die Sprache, er formte in seinen Versen die Berge und das Tal. Nicht nur für diese beiden Herren war das Hirschberger Tal ein geschätztes Reiseziel. Anfang des 19. Jahrhunderts galt die schlesische Region zu Füßen des Riesengebirges gar als »Elysium« – als Gefilde der Seligen. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg verfiel die Region.

Mit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union stehen die Chancen recht gut für eine der ältesten Tourismusregionen Europas. Ein kleines Kunst-Reisehandbuch dokumentiert nun Geschichte und Gegenwart des Tals.

Das schlesische Elysium liegt im heutigen Polen, südwestlich von Breslau, rund 140 km östlich von Görlitz. Das Tal – rund um das schlesische Hirschberg, dem heutigen Jelenia Góra wurde im 19. Jahrhundert zuerst vom Adel, dann vom Bürgertum entdenkt. Angezogen vom Geist der Romantik entstanden eine Vielzahl von Schlössern, Residenzen, Herrenhäusern und Parkanlagen. Friedrich Wilhelm der III., Friedrich Wilhelm der IV., Großherzöge und Grafen waren die Bauherren. Schinkel, Stüler und Lenné planten, bauten und verewigten sich. Der Zusammenbruch kam nach dem Zweiten Weltkrieg, das Tal verfiel. Die Ruinen des Caspar David Friedrich wurden vielerorts Wirklichkeit. Doch seit einigen Jahren tut sich wieder was im Hirschberger Tal. Der Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Arne Franke hat nun erstmals die zahlreichen Bau- und Kunstdenkmäler dokumentiert. Den Aufbau der vielen Ruinen hat er dabei persönlich miterlebt.

Der Kampf gegen den Zerfall geht einher mit einer wachsenden Identifikation der Menschen mit ihrem Kulturerbe. Dass es sich dabei um ein ehemals deutsches Kulturerbe handelt, das nun von polnischen Besitzern und deutschen Interessenten gemeinsam wieder aufgebaut wird, steht nach der Osterweiterung ganz im europäischen Sinn.

Das Reisehandbuch zeigt die wechselvolle Geschichte der Region anhand der einzelnen Stationen im Buch. Alphabetisch geordnet gibt es Details zu den Schlössern, Häusern und Parks. Die kunst- und kulturspezifischen Beschreibungen sind präzise und unterhaltsam. Den besonderen Reiz aber machen die zahlreichen Lithografien, Kupferstiche und Fotografien aus. Historische Tagebucheinträge ermöglichen einen persönlichen Einstieg.

Im restaurierten Schloss Lomnitz werden auch regelmäßig Tagungen abgehalten, die sich für einen Erhalt des örtlichen Kulturerbes einsetzen. Das Fernziel scheint hierbei nicht ganz utopisch: das Hirschberger Tal soll in zehn Jahren zum Weltkulturerbe der UNESCO gehören. Bis dahin wird das touristische Angebot wohl nur langsam steigen – reizvolle Aussichten, will man die kontrastreiche Kulturregion in aller Romantik entdecken.

Neben neugotischen Herrenhäusern und englischen Gärten gibt es auch mittelalterliche Burgen im Hirschberger Tal. Einige, wie Burg Kynast, thronen auf felsigen Kegeln, überragt nur von den Gipfeln des Riesengebirges. Spätestens dort bietet die Region auch für wanderfreudige Kulturreisende ausreichend Wegstrecke.

Wie man die Schlösser, Residenzen, Burgen und Parkanlagen findet, welche zugänglich sind und wen man vor Ort fragen sollte – dies alles listet der Reiseführer auf. Kontaktadressen, Personenbiografien und weiterführende Literatur runden das Buch ab – eine gelungene Zusammenstellung. Ein weiterer Punkt, der das Buch empfehlenswert macht: Es lädt zum bloßen Genießen ein, man ist schon ein wenig dort, bevor man vielleicht wirklich hinfährt.

Für den einen oder anderen bietet der Reiseführer auch die Möglichkeit zu den eigenen Wurzeln zurückzukehren oder denen der Familie nachzuspüren. Oder einfach ein Kulturerbe neu zu entdecken, das gar nicht so fern liegt.



Arne Franke: Das schlesische Elysium. Burgen, Schlösser, Herrenhäuser und Parks im Hirschberger Tal. Das Buch ist erschienen im Verlag »Deutsches Kulturforum östliches Europa« und kostet 19,80 Euro.