Nach ihrer Vertreibung aus Südmähren sind Josefs Eltern »bettelarm«, doch beschreibt der Autor diesen Zustand als »reiche, stolze Armut«. Und so ist auch dessen Kindheit »armselig, aber auch irgendwie selig« – die Landschaft um Waldram bei Wolfratshausen, ehemals Föhrenwald, dann nach dem Zweiten Weltkrieg zum Lager für Displaced-Persons und zum jüdischen Schtetl umfunktioniert, bezaubert die Kinder. Mit Singen und Musizieren wächst Joseph auf: In seiner Familie wird »fast mehr gesungen (…) als gesprochen«. Wenn jemand zu Besuch kommt, fordert das musikalische Ehepaar Brustmann die Kinder auf: »Singts dem Besuch was!« In allen Chören der Umgebung sind die Brustmanns vertreten.
»Und immer haben wir gesungen zu Hause, jeden Tag, einfach so, aus Freud und immer mehrstimmig. Das Singen ist für mich so wie ein- und ausatmen.« Kein Wunder, dass Musik Josefs Leben bestimmen wird. Er studiert an der Münchner Musikhochschule, gründet eine Band, findet über das musikalische Improvisieren den »Weg in die Freiheit« und wird Kabarettist: »Selbstbestimmt das zu machen, was man ist, was man will, was man kann, ein Riesenglück.«
Mit seinem Erinnerungsbuch gelingt Josef Brustmann eine lebenszugewandte Aufarbeitungs- und Versöhnungsarbeit:
»An meinen Eltern halte ich mich fest. Nicht, dass ich das Einengende, Lebenseinzwängende ihrer Kirchen- und Dorffolgsamkeit nicht sehen würde. Aber in ihrer bescheidenen, natürlichen Art lagen auch Kraft und Ruhe. Sich selbst nicht zu wichtig nehmen, niemandem etwas neiden, sich mit dem begnügen, was ist, und damit zufrieden sein. Diesen wertvollen Lebensvorrat besaßen sie, weil sie der Natur noch so nahe sein durften und so sein wollten wie die Natur. Man konnte lernen von ihnen.«
Josef Brustmann: Jeder ist wer
Menschenwege in Herzgegenden
Allitera Verlag München 2023
140 Seiten | 20,– Euro | ISBN: 978-3-96233-400-0
weitere Informationen zum Buch
Die vom Deutschen Kulturforum östliches Europa 2020 initiierte Lesereihe Unerhörte Familiengeschichten aus dem östlichen Europa widmet sich historischen Landschaften des östlichen Europa, in denen Kulturen und Menschen im 20. Jahrhundert unheilvoll aufeinanderprallten.
In Kooperation mit dem Literaturforum im Brecht-Haus Berlin.
Das Kulturforum wird gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Samstag, 25. Januar 2025, 17:00 Uhr
Im Schatten zweier Sommer
Lesung mit Jan Koneffke
Datum | Sa, 01.03.2025 |
Zeit | 17:00 Uhr |
Eintritt | 6,– Euro | ermäßigt 4,– Euro |
Barrierefrei | Nein |
Literaturforum im Brecht-Haus Berlin
Chausseestraße 125, 10115 Berlin, Deutschland
Adresse mit Google Maps öffnen.