»Wenn du bestehen willst im Leben, musst du einfach die Klappe halten.«
Die Devise ihrer Großmutter Frieda beherzigt Enkelin Inna Hartwich nicht. In ihrem Erstlingswerk wirft die Journalistin mit russlanddeutschen Wurzeln Fragen auf, die ihr selbst »körperliche Schmerzen« bereiten, »weil ein Land, mit dem ich mich tief verbunden fühle, ein anderes angegriffen hat, das meine Familie geprägt hat – und sich dabei selbst zerstört«. Russland ist seit dem 24. Februar 2022 im Begriff, sich selbst zu zerstören: »Politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich. Auch moralisch.« Die Angst verbreitet sich wie ein »Virus«, der das Zusammenleben der Menschen aushöhlt und Zivilcourage geradezu unmöglich macht. Ausgehend von der Suche nach ihrer eigenen Herkunft versucht die Autorin den Ursprung von Gewalt zu ergründen – im Mikrokosmos der Familie sowie im großen gesellschaftlichen Zusammenhang.
Inna Hartwich: Friedas Enkel. Meine Familie und das Erbe der Gewalt in Russland
Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt a. M. 2023
224 Seiten | 24,– Euro | ISBN-13: 978-3962511623
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Inna Hartwich | Foto: © Elena ChernyshovaInna Hartwich, geboren 1980 in der Sowjetunion, emigrierte 1992 nach Deutschland und wuchs in Nordhessen auf. Nach dem Studium der Romanistik, Slawistik und Ethnologie in Heidelberg, Nizza und Sankt Petersburg und ihrem Volontariat beim Mannheimer Morgen ging sie 2010 als freie Korrespondentin für Medien in Deutschland, Österreich und der Schweiz nach Moskau, um über Russland und die ehemaligen Sowjetrepubliken zu berichten. Später arbeitete sie aus Peking über Ostasien und aus Berlin über Polen, die Ukraine und Russland. 2018 kehrte sie als Korrespondentin nach Moskau zurück. Inna Hartwichs Reportagen und Essays über Russland sind mehrfach ausgezeichnet worden. Friedas Enkel ist ihr Erstlingswerk.Um eine russlanddeutsche Familiengeschichte geht es auch in Birgit Mattauschs Debütroman. Aus Sibirien kommend, finden sich Urgroßmutter »Babulya« und ihre Urenkelin Nanush in einem Hochhaus in Deutschland wieder – am Rande einer Ortschaft, in der Nähe eines Waldes. Dort leben sie nicht allein, sondern in engster Nachbarschaft mit Menschen, die ihnen vertraut sind. Alle sind in Babulyas Küche, dem »Herz unseres Hauses«, willkommen. Dort atmen sie »Luft aus Sibirien«, mitgebracht von der Urgroßmutter, ein. Dort erzählen sie sich Geschichten, die mit »Schwänen und Brennnesseln« beginnen. Märchenhaft wie ihre Worte erscheint der gesamte Kosmos, den Autorin Mattausch einfängt. Ihre Sprache ist reinste Poesie. Die Botschaft – reinste Zuversicht: »Die Liebe geht nicht verloren.«
Birgit Mattausch: Bis wir Wald werden
Roman, Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2023
176 Seiten | 20,– Euro | ISBN: 978-3-608-98693-8
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Birgit Mattausch | Foto: © Annette HauschildBirgit Mattausch, geb. 1975 in Baden-Württemberg, hat Germanistik, evangelische Theologie und Literarisches Schreiben studiert. Zehn Jahre lang arbeitete sie als Pfarrerin in Süddeutschland, u. a. in einer Gemeinde mit vielen Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern. Seit 2017 ist sie in der Fort- und Ausbildung für Predigende in Niedersachsen und im ganzen deutschsprachigen Raum tätig. Bis wir Wald werden ist ihr Debütroman.
Die vom
Deutschen Kulturforum östliches Europa 2020 initiierte Lesereihe Unerhörte Familiengeschichten aus dem östlichen Europa widmet sich historischen Landschaften des östlichen Europa, in denen Kulturen und Menschen im 20. Jahrhundert unheilvoll aufeinanderprallten.
In Kooperation mit dem
Literaturforum im Brecht-Haus Berlin.
Das Kulturforum wird gefördert von der
Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Samstag, 24. Februar 2024, 17:00 Uhr
Unterwegs nach Posen und Danzig
Zwei Autorinnen auf der Suche nach dem Vater
Doppellesung mit Susanne Fritz und Bernadette Conrad
| Datum | Sa, 27.01.2024 |
| Zeit | 17:00 Uhr |
| Eintritt | 6,– Euro, ermäßigt 4,– Euro |
| Barrierefrei | Nein |
Literaturforum im Brecht-Haus Berlin
Chausseestraße 125, 10115 Berlin, Deutschland
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