»Befremden« über dessen Kritik an Franz-Werfel-Menschenrechtspreis • Jelinek hatte dem Zentrum zuvor die »Gleichsetzung von Vertreibungen und Umsiedlungen« und »Missbrauch« des Namens Werfel vorgeworfen • Bereits im Februar wendeten sich Preisträger gegen einseitige Betrachtung des Versöhnungskreuzes in Teplice nad Metuj (Wekelsdorf)

In einem Offenen Brief an den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Prag, Tomáš Jelinek, hat das Zentrum gegen Vertreibungen sein »grosses Erstaunen und Befremden« darüber zum Ausdruck gebracht, dass Jelinek den Initiatoren des Zentrums wegen der Verleihung des Franz-Werfel-Menschenrechtspreises an den Direktor des Instituts für Genozidforschung an der Ruhr-Universität Bochum, Mihran Dabag, sowie an die Initiatoren des Kreuzes des Versöhnung im nordmährischen Wekelsdorf/ Teplice nad Metuji vorwerfe, »wir setzten Vertreibungen und Umsiedlungen von Menschen mit dem Holocaust gleich.« Weder davon, noch von einem Missbrauch des Namens Franz Werfels könne die Rede sein.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Prag hatte der Stiftung der deutschen Heimatvertriebenen bereits im April vorgeworfen, Vertreibungen und Umsiedlungen von Menschen mit dem Holocaust gleichzusetzen. Zudem missbrauche sie den Namen des jüdischen Prager Schriftstellers Franz Werfel (1890–1945). Die geplante Verleihung eines Franz-Werfel-Menschenrechtspreises sei eine »beispiellose Instrumentalisierung« des Autorenschicksals für die politischen Ziele der Vertriebenen, erklärte Jelinek nach einem Bericht der tschechischen Tageszeitung Pravo vom 14.04.2003. Zur Unterstützung seiner Argumente verwies er auf einen Artikel der in Paris erscheinenden Zeitschrift Das Neue Tagebuch aus dem Jahre 1938, in dem Werfel nach dem so genannten Anschluss der sudetendeutschen Gebiete über die Sudetendeutschen schrieb: »Schon seit Wochen ist das kleine tschechische Volk so durchtriebenen, unbarmherzigen und zynischen Angriffen ausgesetzt, wie sie die Geschichte bislang nicht kannte.«

In Ihrem Offenen Brief betonen die Vorsitzenden des Zentrums, Erika Steinbach und Prof. Dr. Peter Glotz, dass Franz Werfel die Sudetendeutschen in der Zeit des Protektorats kritisiert habe, sei »in keiner Weise ein sinnvolles und zureichendes Argument gegen die Verbindung des Namens von Franz Werfel mit einem Menschenrechtspreis, der sich gegen Vertreibungen richtet.« Werfel habe in seinem Buch Musa Dagh die Vertreibung von anderthalb Millionen Armeniern, von denen viele auf schreckliche Weise umkamen, zum Gegenstand seiner schriftstellerischen Arbeit gemacht. »Die Verleihung des Preises an die Initiatoren eines Versöhnungskreuzes in Wekelsdorf/ Teplice nad Metuji wäre im Sinne Franz Werfels. Das Versöhnungskreuz erinnert keineswegs nur an deutsche Opfer. Aber es erinnert auch an deutsche Opfer. Wenn wir Versöhnung wollen, müssen wir alle unschuldig zu Tode gekommenen Menschen betrauern, gleichgültig, aus welcher Nation oder Religion sie kamen«, heißt es weiter in dem Schreiben. »Die Verbrechen von Deutschen in der Hitlerzeit und im Protektorat rechtfertigen nicht die Verbrechen von Tschechen in den Jahren 1945 und 1946. Im Übrigen hat die böhmische Geschichte nicht mit München 1938 begonnen, sondern Jahrhunderte früher.« Diese Geschichte aufzuarbeiten und durch solche Aufarbeitung dafür zu sorgen, dass Mord, Totschlag, Genozid und Vertreibung nie wieder vorkommen, sei die Aufgabe des Zentrums gegen Vertreibungen. Der Offene Brief endet mit den Worten: »Wir sind, sehr geehrter Herr Jelinek, jederzeit und an jedem Ort zu einem Gespräch bereit.«

Bereits im Februar 2003 hatte sich die Initiative des Versöhnungskreuzes in Teplice nad Metují (Wekelsdorf) in einem offenen Brief an Vertreter sudetendeutscher Organisationen gewendet, um gegen Missverständnisse in Bezug auf die Motivation des Projektes aufzutreten. Dort hieß es: »Das Kreuz der Versöhnung wurde am Schauplatz einer Nachkriegstragödie errichtet, an dem während der Zeit der wilden Vertreibung aus der Tschechoslowakei 23 junge und alte Menschen aus dem früheren Wekelsdorf umgebracht wurden. Gewidmet ist das Mahnmal, das am 15.09.2002 eingeweiht wurde, aber allen Opfern der Nationalitätenkonflikte im Braunauer Ländchen, in dem 700 Jahre verschiedene Interessen aufeinander stießen und es immer wieder zu Konflikten kam. Da das Projekt die Menschen versöhnen und zusammenbringen soll, wehren sich die Initiatoren gegen eine einseitige Vereinnahmung des Monuments als 'Denkmal für die sudetendeutschen Opfer der wilden Vertreibung'.« Dennoch bezeichneten die Unterzeichner es als »positives Zeichen«, dass das Zentrum gegen Vertreibungen die Initiative für seine Bemühungen um den Dialog zwischen Tschechen und Deutschen mit dem Franz-Werfel-Menschenrechtspreis auszeichnen will.