In den ausgedehnten Wäldern der Nacheiszeit lebten die Honigbienenvölker in hohlen Bäumen. In diesen bauten sie Waben, zogen die Brut auf und legten Vorräte von Honig und Pollen an. Jedes Frühjahr schwärmten die Bienen aus und suchten sich neue Höhlungen, in denen sich bis zum Winter bei guten Bedingungen neue Völker bilden konnten. Eine echte Bedrohung für das Überleben der Bienen stellten Braunbären dar, die auf Bäume klettern können. Auch der Mensch konnte ein gefundenes Volk schonungslos plündern, ohne Rücksicht auf dessen weiteres Ergehen. Die erste Bienennutzung war also de facto eine Bienenjagd. Aber schon bald werden die Bienensucher die Erfahrung gemacht haben, dass ein im Frühjahr durch Rauch aus einem hohlen Baum vertriebenes Volk, das nur schonend geplündert wurde, sich kurz darauf schon wieder an der gleichen Stelle einfand. Folge war, dass die Honigsammler die Vernichtung der vorgefundenen Völker zu vermeiden begannen und anstelle des einmaligen Ausraubens ein zwar kleinerer, dafür aber ständiger Nutzen erzielt wurde.
Anders als es die Imker es heutzutage tun, wurden die Bienen ursprünglich nicht in gezimmerten Bienenstöcken oder Bienenkörben gehalten. Da die sich Bienen ursprünglich selbst Baumhöhlen gesucht hatten, war es naheliegend, dass in alte Bäume etwa in sechs Metern Höhe künstliche Höhlen, sogenannte Beuten, eingeschlagen wurden, die auch tatsächlich von den Bienen angenommen wurden. Die Waldimker versahen den Eingang der jeweiligen Höhle mit einem Brett, in das ein Flugloch eingebracht war. Dadurch und durch zusätzliche Maßnahmen wurden diese Bienenbäume vor dem Honigraub durch Bären geschützt. Der Kürschnermeister und Imker Nicol Jacob (1505–1576) aus Sprottau/Szprotawa schrieb 1568 das erste deutschsprachige Buch über Bienen: Gründlicher und nützlicher Unterricht von der Wartung der Bienen. So entwickelte sich der Beruf des Zeidlers oder auch Beutners, der mit halbwilden Bienenvölkern arbeitete. Sein Ansehen in der Gesellschaft war groß. Honig war lange Zeit das einzige Süßungsmittel, zudem spendete Bienenwachs Licht in Kirchen und Herrscherhäusern.
Adam Gottlob Schirach: Waldbienenzucht
Die Bienenhaltung in bestimmten Bäumen machte es notwendig, den Besitz mit bestimmten Zeidelmarken abzugrenzen. Die Zeidler entwickelten die Bienenwirtschaft planmäßig weiter, indem sie neue Nistplätze anlegten, die Bienenvölker vermehrten und den Ertrag steigerten. An Staat und Kirche musste Honig- und Wachszins abgegeben werden. Die Zunft der in Wäldern auf Bienenbäumen tätigen Zeidler, in denen auch die Kenntnisse als Berufsgeheimnis bewahrt wurden, genoss besondere Privilegien. Das Wichtigste war ihre eigene niedere Gerichtsbarkeit. Der Zeidler als freier Mann, der Waffen tragen durfte, wird häufig mit einer Armbrust dargestellt. Das Ausrauben von Bienenvölkern konnte mit hohen Strafen belegt werden. So erließ König Friedrich II. von Preußen (1712–1786) noch 1775 eine Verordnung über das Strafmaß für die vorsätzliche Schädigung von Bienenvölkern: sechs Jahre Festungs- und Karrenstrafe. Die Waldbienenhaltung wurde im Westen durch die Elbe- und Saale-Linie begrenzt, welche zugleich die Grenze des großen östlichen Kiefernwaldgebietes darstellte. Im Osten reichte sie weit bis nach Russland hinein.
Der schleichende Niedergang der Zeidlerei ist insbesondere auf die beginnende Einfuhr von Rohrzucker im 17. Jahrhundert zurückzuführen. Außerdem wurden die Wälder zunehmend durch Köhler, Pechsieder und Glasbläser ausgebeutet, so dass für die Bienen und ihre Zucht in den Wäldern immer weniger Platz war. Nur an wenigen Orten in Europa existiert noch heute die traditionelle Waldimkerei. Die UNESCO hat sie in Polen und Belarus auf die Liste des immateriellen Kulturerbes gesetzt.
Vom Bienenbaum zur Klotzbeute
Wenn Bienenbäume etwa bei Sturm brachen, bedeutete das für die darin befindlichen Bienenvölker den sicheren Tod. Es war naheliegend, einen mit Bienen besetzten Baum derartig abzusägen, dass das Mittelstück mit den Bienen nach Hause transportiert werden konnte. In verschiedenen Zeidelordnungen wurde es den Zeidlern daher gestattet, bei umgestürzten oder anderweitig beschädigten Bäumen die Beuten herauszusägen und – gegen Bezahlung – in privaten Gärten aufzustellen. Die sogenannten »Klotzbeuten« die aus Baumstämmen hergestellt wurden, können als Vorläufer der später aus Brettern gezimmerten Bienenkästen angesehen werden. Die Stammstücke der Holzklötze waren oben und unten geschlossen, der Innenraum wurde auf eine Wandstärke von wenigen Zentimetern ausgestemmt. Über eine längliche rechtwinklige Öffnung an der Seite des Stammes wurde der Klotz ausgehöhlt und somit für den Imker zugänglich gemacht. Die Öffnung wurde mit einem oder zwei Spundbrettern verschlossen. Ein Flugloch wurde in die Wand des Stammes angebracht. Nachteilig bei den Klotzbeuten war, dass die Honigernte nur durch Herausschneiden eines Teils der Waben möglich war, mit der Folge, dass das Bienenvolk geschwächt wurde. Das fest mit der Beute verbundene Wabenwerk wird in der Imkersprache als Stabilbau bezeichnet.
Magazinbeuten - Paradigmenwechsel der praktischen Bienenzucht
Mitte des 19. Jahrhunderts stellte sich ein tiefgreifender Wechsel der praktischen Bienenzucht ein. Eine entscheidende Rolle spielte hierbei der im oberschlesischen Lowkowitz/Łowkowice geborene katholische Pfarrer und Erwerbsimker Johann Dzierzon (1811–1906), der – wie seine Kollegen – seine Bienen zunächst in Klotzbeuten hielt. Anderweitig wurde bereits verschiedentlich mit unterschiedlichen Magazinbeuten experimentiert, die von oben bearbeitet wurden. Auch Dzierzon begann 1835, seine Völker in Magazinstöcken zu halten, aber sie verhungerten während eines kalten Frühjahres. Daraufhin baute Dzierzon eigene Bienenkästen. Seine Neuerung: Er fügte Wabenträgerleisten hinzu, die in Nuten verschiebbar waren. Seine Längslagerbeute, die nun von der Seite oder von hinten zu öffnen war, erhielt im oberen Bereich einen »Handraum« zum besseren Greifen der Waben. Zwei derartige Kästen kombinierte Dzierzon zu dem berühmten »Zwillingsstock«, einer Art Hochhaus für Bienen. 400 Bienenvölker hatte Dzierzon zeitweilig. 1853 entdeckte er die eingeschlechtliche Fortpflanzung, also die Parthenogenese, bei Bienen: Er hielt schlicht die Samenbehälter befruchteter und unbefruchteter Königinnen gegen das Licht und verglich deren Aussehen und Inhalt. Der »schlesische Bienenvater« erhielt vielfache Auszeichnungen, vom preußischen Königlichen Kronen-Ordnen bis zum russischen Orden der Heiligen Anna.
Korbimkerei in Ostpreußen
Während in Deutschland östlich der Elbe-Saale-Linie die Klotzbeute in der Nachfolge der Waldbienenzucht vorherrschte, war im westlichen Gebiet der Strohkorb das bestimmende Element. Aber Strohkörbe können schlecht erweitert werden, ein Korb stellt mit seinen fest in den Korb gebauten Waben eine »Stabilbeute« dar, die schwerer zu leeren ist. Mobilbeuten brachten größere Erträge und hatten viele weitere Vorzüge, wie etwa die leichtere Ernte.
Interessant ist die Entwicklung in Ostpreußen, wo der dort gebürtige Lehrer Johann Gottlieb Kanitz (1816–1899) Mitte des 19. Jahrhunderts einen eigenen »Kanitz-Korb« entwickelte. Es handelt sich hierbei um einen ringförmigen Strohkorb (Magazin), von denen je nach Volksgröße und Jahreszeit ein oder mehrere Ringe beziehungsweise Strohkränze übereinander verwendet wurden. Kanitz entwickelte viereckige hölzerne Aufsatzkästen, die mit beweglichen Waben ausgestattet waren, so dass sich der Honig schleudern ließ. Seine Experimentierfreudigkeit führte ihn später zu einem viereckigen mobilen Kanitz-Magazinkorb, der mit beweglichen Waben arbeitete Bekannt wurde er auch durch viele Vorträge und ein während seiner Lebenszeit in sieben Auflagen erschienenes Bienenbuch Honig- und Schwarmbienenzucht.
Im Jahre 1884, anlässlich der 29. »Wanderversammlung der deutschen und österreichisch-ungarischen Bienenwirthe« in Königsberg i. Pr. trafen die Imkerkoryphäen Kanitz und Dzierzon aufeinander. Kanitz stellte dort seinen Aufsatzkastenstock vor und verteidigte seine Betriebsweise gegen Dzierzon. Tatsächlich wurde der Kanitz-Korb in Ostpreußen zum Renner: Mehr als die Hälfte der ostpreußischen Bienenvölker wurden vor Ende des Zweiten Weltkrieges in Kanitz-Körben gehalten. Er galt als billig und einträglich. Und doch konnte sich der »halbmobile Kanitz-Korb« auf lange Sicht nicht gegen die Ideen Dzierzons durchsetzen. Dessen Modell dominiert bis heute die Bienenzucht nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt.
_____________________________________________________
Der Artikel erschien im Magazin
KK – Kulturkorrespondenz östliches Europa
Ausgabe № 1433 | Januar 2023
mit dem Schwerpunktthema:
Erfindungen: Von Geistesblitzen und kühnen Ideen