Kulturkorrespondenz östliches Europa – Ausgabe 1428
Ausgabe März/April 2022
Titelblatt der KK 1428 | März/April 2022

Editorial

Junge Menschen beseitigen Unrat rund um eine Kirchenruine. Das Foto zeigt eine Szene, wie sie sich seit einigen Jahren immer wieder an Wochenenden ereignet: Bewohnerinnen und Bewohner der heute zu Russland gehörenden Oblast Kaliningrad, früher Königsberg, pflegen das kulturelle Erbe Ostpreußens. Sei es wie auf dem Bild in der St.-Barbara-Kirchenruine in Powunden/Chrabrowo oder bei anderen heruntergekommenen Gotteshäusern, Schlössern oder Gutshäusern.

Davon gibt es in der Region sehr viele. Vielleicht erinnern Sie sich an unser Heft vom September 2021, da hatten wir bereits auf die »Bewahrer der Ruinen« (engl. ruin keepers) hingewiesen: Junge Russinnen und Russen, denen das Erbe der einst in Ostpreußen lebenden Deutschen nicht (mehr) egal ist und die es bewahren wollen. Dieser heutige Umgang mit den Spuren des deutschen Erbes steht im Gegensatz zu den Jahrzehnten der Sowjetzeit, als es alles andere als »geliebt« wurde.

»Geliebtes und ungeliebtes Erbe« lautet passend dazu der Titel der vorliegenden KK, und anhand einiger Beispiele schauen wir auf das historische Vermächtnis der Deutschen im östlichen Europa und darauf, wie es heute wahrgenommen wird.

Auf einen Subbotnik der Ruin Keepers ist unsere in Königsberg/Kaliningrad lebende Autorin Svetlana Kolbanjowa mitgefahren und berichtet, wie aus vernachlässigtem nun ein bewahrtes Erbe wird – unter eigenem Körpereinsatz bei den Reinigungsarbeiten. Ostpreußen ist auch Thema im Text des Journalisten Jan Mohnhaupt: Sein Artikel über die Jagd in der Rominter Heide, von den Hohenzollern und auch Eliten der Weimarer Republik und des NS-Staates gern praktiziert, leistet einen Beitrag zur Geschichte der Region und der Jagd als immaterielles Kulturerbe.

Um ein Erbe, das nach dem Zweiten Weltkrieg unterzugehen drohte, sich heutzutage aber wieder größter Beliebtheit erfreut, geht es in dem Text von Renate Zöller über die Bunzlauer Keramik. Empfohlen sei auch der Beitrag unserer Kollegin Ariane Afsari, die eine Gruppe von Studierenden bei ihrem Workshop mit dem Denkmalpfleger Arne Franke begleitete und »sensible Strategien für schlesische Schlossruinen « in den Blick nimmt. Sehr lesenswert ist zudem der Text der Slawistin und Soziologin Svetlana Kim, die in Usbekistan auf Spurensuche nach der deutschen Minderheit war.

Mit Karolina Kuszyk sprach KK-Redakteur Markus Nowak über das Schwerpunktthema dieses Hefts. Sie ist die Autorin eines Buches, das sich mit Gegenständen, aber auch mit Gebäuden und Friedhöfen beschäftigt, die die Deutschen im Nordosten und Westen Polens zurückgelassen haben. Das Attribut für diese Gegenstände lautet im Polnischen Poniemieckie und das ist zugleich der Titel ihres Buches. Es gibt also wieder einmal viel Spannendes bei uns zu entdecken und dabei wünschen wir Ihnen eine anregende Lektüre!

Ihre Redaktion

Inhalt


Im Fokus

Epochen I
Bunzlauer Keramik und »Entwicklungshilfe« aus Deutschland
Von Renate Zöller

Perspektiven
Lass die Kirche im Dorf
Bei der Pflege des Erbes ihrer Heimat legen junge Kaliningrader selbst Hand an.
Von Svetlana Kolbanjowa

Neuigkeiten

Epochen II
Auf den Fährten der Jäger
Von Jan Mohnhaupt

Im Gespräch
»Das deutsche Erbe ist hoch im Kurs«
Interview mit Karolina Kuszyk
Von Markus Nowak

Rezensionen

Der Proust des Katastrophenzeitalters
Aleksandar Tišma: Erinnere Dich ewig. Autobiographie
Von Achim Engelberg

Politik und Kaffeekränzchen
Ausstellung: Arabica und Muckefuck. Kaffeegeschichten zwischen Ostsee und Schwarzem Meer
Von Hans-Joachim Graubner

Schlüsselmomente der Geschichte Lettlands
Dokumentarfilm-Serie des Lettischen Fernsehens
Von Martin Pabst

Momente I
Auf Spurensuche in Zentralasien
Die Verwaisung und Wiederbelebung der deutschen Gemeinschaft und ihres Erbes in Usbekistan
Von Svetlana Kim-Pacher

Momente II
Kulturerbe sichern. Sensible Strategien für schlesische Schlossruinen
Von Ariane Afsari

Veranstaltungen

Fundstück