Was halten Sie von Joseph Roth? (I) • aus der Reihe »Fragen Sie Reich-Ranicki«
Marcel Reich-Ranicki

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung • 04.04.2010

[…] Ein Ostjude auf der Suche nach einer Heimat - das mag, wenn man die Vokabel Heimat nur weit genug versteht, jene Formel sein, mit der sich Joseph Roths Lebensweg noch am ehesten andeuten lässt. Er mutet geradezu parabolisch an: Denn er begann in einem armseligen Nest Galiziens, führte über die Metropolen und endete in der prächtigsten Hauptstadt der westlichen Welt, in Paris, nur eben in einem Armenspital. Die an seinem Grabe standen – ebenso orthodoxe Juden wie gläubige Katholiken, ebenso österreichische Monarchisten wie deutsche Kommunisten –, wollten ihn alle für sich reklamieren. […]