Polen und Deutsche haben sich längst versöhnt, sagt der polnische Historiker Tomasz Szarota. Jetzt geht es um die Versöhnung der Deutschen mit sich selbst.
Gabriele Lesser

die tageszeitung • 19.01.2010

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taz: Was ist eigentlich das Hauptproblem in der deutsch-polnischen Erinnerungsdebatte?

Tomasz Szarota: »Das Hauptproblem ist die richtige Gewichtung. Die Deutschen reden immer öfter von einem ›Jahrhundert der Vertreibung‹. Sicher ist der Verlust der Heimat eine Tragödie. Aber es gibt etwas Schlimmeres. Das ist die Vertreibung aus dem Leben. Es ist ein Unterschied, ob die Deportationszüge im Vernichtungslager Auschwitz hielten oder im Grenzdurchgangslager Friedland. Die einen gingen in den Tod, die anderen in eine neue Heimat. Mein Vater wurde von den Deutschen erschossen, während Erika Steinbach mit ihrer ganzen Familie nach Hanau zurückkehrte. Sie kann mir nicht die Hand reichen und sagen: ›Ich vergebe Ihnen, Herr Szarota.‹« […]