Der vielfach preisgekrönte Dokumentarfilmer Volker Koepp holt mit seinen Filmen über Orte und Landstriche des östlichen Europa die Kultur und Geschichte dieser teils entlegenen un vergessenen Gegenden ins öffentliche Bewusstsein zurück. Seine Filme machen die Schicksale von Menschen, die einst dort gelebt haben bzw. heute dort leben, anschaulich und wecken ein neues Interesse an vergessenen und verdrängten Themen der deutschen Geschichte im östlichen Europa.
Volker Koepps Filme sind geprägt von einer sehr individuellen Ästhetik und einem sensiblen, tiefen Verständnis. In der Beschäftigung mit der Wechselwirkung zwischen Individuum, Geschichte und Landschaft entsteht ein ideologieferner Begriff von Heimat: »Wer die Leute will versteh´n, soll zuerst das Land beseh´n«
Erscheinungsdatum
25.07.2006
Die Filme
- Herr Zwilling und Frau Zuckermann
Deutschland 1999, 127 Minuten
Czernowitz, im Westen der Ukraine, war einst Zentrum jüdischer Kultur in der Bukowina, einer Grenzlandschaft, die über die Jahrhunderte vom Vielvölkergemisch geprägt war. Die jüdische Bevölkerung machte zeitweilig die Hälfte der Einwohnerschaft aus, es überlebten nur wenige die von Deutschen und Rumänen 1941 verordnete Deportation in die Lager Transnistriens. Im Mittelpunkt des Films stehen Herr Zwilling und Frau Zuckermann, die zu den letzten noch im alten Czernowitz geborenen Juden gehören. Beide verbindet neben ihrer Freundschaft nicht zuletzt die deutsche Sprache. Täglich besucht Herr Zwilling in den Abendstunden die 90jährige Frau Zuckermann. Man spricht über frühere Zeiten, das gemeinsam Erlebte, über Politik und Literatur und die alltäglichen Sorgen. In den Lebensgeschichten dieser beiden Menschen steckt das Elend dieses Jahrhunderts. Mit ihren Erinnerungen verknüpft der Film Episoden aus dem jüdischen Leben im heutigen Czernowitz, das sich mit Ende der Sowjetunion erstmalig wieder regt.
Deutschland 2001, 88 Minuten
Die Orte des Films liegen beiderseits der Grenze, das litauische Nida und Rossitten, russisch: Rybatschi. Seit dem 19. Jahrhundert wird die Kurische Nehrung und das Fischerdorf Nidden von Reisenden, Malern und Schriftstellern entdeckt. Wilhelm von Humboldt, dem ohne die Kurische Nehrung ein wunderbares Bild in der Seele fehlen würde. Lovis Corinth und Max Pechstein. Thomas Mann, der sich in Nidden ein Sommerhaus baut. Nach dem Krieg muss Litauen Sowjetrepublik werden. Doch anders als im russischen Teil der Nehrung bleiben hier einige Deutsche in ihren Heimatorten. Menschen wie die Rentnerin Renate, die 1961 einen russischen Matrosen geheiratet hat und in eigensinnig schönem Deutsch aus ihrem Leben erzählt. In Rossitten werden wie überall im nördlichen Ostpreußen nach 1945 die übriggebliebenen Deutschen abtransportiert und verschiedene Nationalitäten aus der Sowjetunion angesiedelt. Allen gemein ist der trotzige Optimismus mit dem sie dem Leben entgegentreten. Keine Maske, sondern der Ausdruck einer Ganzheit von Mensch und Landschaft.
Deutschland 2002, 104 Minuten
Volker Koepp nimmt den Zuschauer mit in die Uckermark, jenen so dünn besiedelten Landstrich nördlich von Berlin. Wie auf einer Bühne versammelt der Film eine Schar von Übriggebliebenen und Heimkehrern der Nachwendezeit. Landarbeiter, Bauern und zurückgekehrter Adel, ihre Erzählungen und Lebensgeschichten. Bisweilen skurril und tragikomisch, manchmal melancholisch und von trotzigem Idealismus.
Deutschland 2004, 129 Minuten
Sechs Jahren zuvor drehte Volker Koepp den Film Herr Zwilling und Frau Zuckermann. Rosa Roth-Zuckermann und Mathias Zwilling gehörten zu den letzten noch im alten Czernowitz geborenen Juden, die den Krieg und die Lager überlebt hatten und in ihrer Stadt geblieben waren. Die im vergangenen Jahrhundert aus der Bukowina geflüchteten Juden haben Exil in vielen Teilen der Welt gefunden. In ihren Familien wirken die Erinnerungen an Menschen, Lebenswelten und Landschaften nach. Mit Emigranten und ihren Kindern kehrt der Film dorthin zurück. Der Cellist Eduard Weissmann macht sich von Berlin aus auf den Weg, aus Wien kommen die Schwestern Evelyne Mayer und Katja Rainer, aus New York der Schauspieler Harvey Keitel und der Schriftsteller Norman Manea. Die Fahrt zu den mythischen Orten ihrer Herkunft führt sie nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Gegenwart, zu Menschen, die heute in Czernowitz leben, zur ukrainischen Studentin Tanja und dem beinahe 90jährigen Deutschen Johann Schlamp.
Deutschland 2005, 89 Minuten
Pomorze: »Land am Meer« – so nannten slawische Siedler im 9. Jahrhundert diese Gegend. Im Hinterland Moränen, dazwischen eingestreut malerisch sich verzweigende Seenlandschaften und Urstromtäler. Weite Kornfelder und Kartoffeläcker, zerteilt von schönen, ausgedehnte Alleen, die bis zum Horizont reichen, ein Landstrich, der eigentlich Gelassenheit und Ruhe ausstrahlt. Heute herrschen in weiten Teilen Arbeits- und Perspektivlosigkeit. Menschen und Landschaft, Erzählungen und Lebensgeschichten in bester Koeppscher Manier – manchmal skurril, bisweilen melancholisch und immer mit Gespür für das Nicht-Gesagte.
Deutschland 2005, 89 Minuten
In Schattenland nimmt Volker Koepp den Zuschauer mit auf eine Reise nach Masuren – die wohl bekannteste Landschaft des früheren Ostpreußen. Begegnungen mit Menschen, die abseits der touristischen Gegenden wie gestrandet erscheinen: Bauern, die in der vermeintlichen Idylle die kurzen Sommer dafür nutzen, dem kargen Boden Getreide abzuringen. Ukrainer, die nach dem Zweiten Weltkrieg zwangsumgesiedelt wurden, und die es nach Polens EU-Beitritt in die alte Heimat nach Osten zieht. Und Fischer, die einige der einst sprichwörtlich fischreichen 3.000 Seen auch im Winter befischen. Bis heute blieb Masuren dünn besiedelt und zählt trotz des Tourismus zu den ärmsten Gegenden Europas. Und auch heute noch sind die Spuren der Geschichte unübersehbar: Dreißigjähriger Krieg, Pest, Hungersnöte, Tatareneinfälle, Napoleonische Kriege und russische Besatzungen. Schlachtfelder beider Weltkriege des 20. Jahrhunderts. 1945 kommt das südliche Ostpreußen zu Polen. Und immer wieder Sprachen- und Nationalitätenstreit: »Wo sich aufhört die Kultur, beginnt zu leben der Masur.« Eine Reise durch Masuren – Grenzlandschaft im Schatten der Geschichte.
Werkgespräch mit Volker Koepp, Kinotrailer, Kapitel- und Szenenanwahl, Booklets, Informationen zum Regisseur
ca. 65 Minuten
- Menschen und Landschaften – Volker Koepp Kollektion
Weitere Informationen auf einer Sonderwebsite der edition salzgeber