Der ehemalige polnische Staatschef Jaruzelski über das Kriegsende, das Verhältnis zu Russland und seine Haltung zur Wiedervereinigung
Gerhard Gnauck

Die Welt • 03.05.2005

[…] Die Welt: Haben die Kommunisten in Polen nach 1945 an die Vereinigung Deutschlands geglaubt? Oder warum hat Warschau auf die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie durch Bonn gedrungen, nachdem doch Ost-Berlin sie bereits 1950 anerkannt hatte und Bonn keine Grenze zu Polen besaß?
Jaruzelski: Nachdem wir unsere Ostgebiete verloren hatten, war die Oder-Neiße-Grenze eine Frage von Leben und Tod. Die Bundesrepublik, in gewissem Sinne auch die Westmächte, haben sie ja über Jahrzehnte als Provisorium verstanden. Wir lebten mit dem gefährlichen Gefühl eines Provisoriums. Dass die DDR sie anerkannt hatte, war wichtig, aber wir ahnten, daß bei einer Wiedervereinigung diese Frage auf die Tagesordnung kommen könnte. […]