Die Bergstädte in der mittleren Slowakei – ehemalige Hochburgen für Gold und Silber
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Die Stadt Schemnitz – slowakisch Baňská Štiavnica, ungarisch Selmecbánya – inmitten der Schemnitzer Berge/Štiavnické vrchy. Foto: Wikicommons, © Jan Starec

Zwischen Gran und Waag

Die seit den 1930er Jahren zunehmend verwendete Sammelbezeichnung »Hauerland« umfasst die ehemaligen deutschen Sprachinseln in der heutigen westlichen Mittelslowakei, in denen acht Ortsnamen auf »-hau« enden, z. B. Glaserhau/Sklené oder Krickerhau/Handlová. Der Ausdruck »hauen« kann auf die mittelalterliche Entstehung als Rodungsorte zurückgeführt werden. Zu der Region wurden zwei große Siedlungsgebiete gezählt: ein nördliches um Deutschproben/Nitrianske Pravno und ein südliches um die Bergbaustadt Kremnitz/Kremnica. Die meisten Siedlungen befinden sich zwischen den Flüssen Gran/Hron im Südosten und Waag/Váh, der die Grenze im Nordwesten bildet.

Gold, Silber und Kupfer

Nach dem Zerfall des Großmährischen Reiches wurde das Bergland im 11. Jahrhundert der ungarischen Krone unterstellt. Sie warb vor allem baierische und ostmitteldeutsche Bauern und Bergleute an, die das Land bewirtschafteten und Edelmetalle für die Münzprägung abbauten. Versehen mit umfangreichen Rechtstiteln gründeten sie nach und nach die seit dem 15. Jahrhundert verbündeten Sieben niederungarischen Bergstädte. Die ältesten und reichsten waren das »goldene« Kremnitz/Kremnica, das »silberne« Schemnitz/Banská Štiavnica und das »kupferne« Neusohl/Banská Bystrica. Nach dem Zusammenbruch des Königreichs Ungarn infolge des Sieges der Osmanen 1526 bei Mohács wurde das Reich dreigeteilt. Die Region wurde Teil des Königlichen Ungarn und damit des Herrschaftsbereichs der Habsburger. Seit 1548 wurde sie durch einen königlichen »Kammergrafen« mit Sitz in Kremnitz verwaltet. Sowohl durch die Kriege zwischen Habsburgern, Osmanen und den Fürsten Siebenbürgens als auch durch Seuchen wurden Land und Leute bis in das 18. Jahrhundert geschwächt. Ein neuer Aufschwung des Bergbauwesens kam mit Maria Theresia, die in Schemnitz 1762 die erste Bergbauakademie der Welt gründete sowie in Modernisierung und Qualifizierung investierte. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zerfall des Habsburgerreichs kam es zu einer nationalen Mobilisierung der deutschen Hauerländer unter dem Einfluss der Sudetendeutschen, wie überall bei den deutschen Minderheitengruppen im slowakischen Teil der Tschechoslowakei. Während des Slowakischen Aufstands 1944 wurden viele Deutsche im Hauerland Opfer von Vertreibungen und Massakern. Vor 1945 lebten hier um die 50 000 Deutsche, im Jahr 2001 waren es noch etwa 2 000.

Familienbande im Dienste des Bergbaus

Der Ansiedlung der deutschen Bevölkerung folgten auch entscheidende Fortschritte in der handwerklichen Produktion. Zünfte und Rechtssysteme wurden gegründet, neue Geräte und Produkte eingeführt, deren Bezeichnung auch heute noch auf das Deutsche zurückzuführen ist. Im 14. und 15. Jahrhundert produzierte der Kremnitzer Bergbau so viel Gold wie kein anderes europäisches Bergwerk. Als im 15. Jahrhundert das Silbervorkommen zur Neige ging, wurde vermehrt Kupfer gefördert, was jedoch aufwendiger und kostspieliger war. Die Familie Fugger aus Augsburg finanzierte mit Banken und Handel in Zusammenarbeit mit den Thurzo aus Leutschau/Levoča in der Zips, die ihre Erfahrungen im Bergbau einbrachten. Im Rahmen des dadurch ermöglichten Aufschwungs führten die Handelswege von Neusohl über Krakau/Kraków bis Danzig/Gdańsk oder über Wien nach Nürnberg und Venedig. Das Hauerland wurde zur reichsten Provinz im damaligen Ungarn. Nach Rückgang des Bergbaus verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der nur noch von ihren kärglichen Bodenerträgen lebenden Menschen. Volkstümliche Handwerkskünste wie Holzschnitzerei oder Töpferei sicherten das Überleben. Viele arbeiteten saisonal in reicheren Regionen oder wanderten nach Übersee aus.

Renaissance und Barock im Revier

Der rasante Aufstieg der Bergbaustädte spiegelt sich in ihren hochwertigen Baudenkmälern. Ein besonderes Element bildeten Stadtburgen innerhalb des Stadtareals, in denen neben Pfarrkirche, Häusern königlicher Beamter und Rathaus auch königliche Silber- und Münzlager untergebracht sein konnten. Den kriegerischen Bedrohungen seit dem 16. Jahrhundert setzte man von italienischen Baumeistern im Stil der Renaissance gestaltete Festungsanlagen entgegen. Viele bis heute erhaltene Bürgerhäuser und Kirchen entstanden ebenfalls in diesem Stil, zum Teil mit vielfältig gestalteten Sgraffiti. Im Zuge der Gegenreformation wurden in dem seit der Reformation lutherisch geprägten Gebiet prächtige Barockkirchen und -klöster sowie Kalvarienberge errichtet. Für die Bergleute wurden bereits seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts charakteristische Siedlungen gebaut. Die sogenannten Waldbürger, Anteilseigner der Bergwerke und in Familiengenossenschaften organisiert, waren Träger einer jahrhundertelangen deutschsprachigen Kultur inmitten eines anderssprachigen Gebiets. Die Städte hatten ihr Bergrecht bereits seit dem 13. Jahrhundert auf Deutsch festgehalten. Die Sprache erfuhr durch den Einzug der wittenbergischen Reformation im 16. Jahrhundert eine Neubelebung. In vielen bergstädtischen Bürgerhäusern befanden sich Bibliotheken mit deutschsprachigen Büchern.

Kaspar/Gašpar als Geschichtsvermittler

Für die Erhaltung und die Erinnerung an hauerländische Bräuche und Traditionen setzt sich der Karpatendeutsche Verein in der Slowakei ein. In Kooperation mit ihm sowie dem Institut für Auslandsbeziehungen, dem Museum der karpatendeutschen Kultur und dem Deutschen Kulturforum östliches Europa wurde im Dezember 2018 das Marionettentheaterstück Glück auf! Gašpar im Hauerland entwickelt und dann u. a. an Schulen in der Mittelslowakei in deutscher Sprache aufgeführt. Das Stück, zu dem didaktische Begleitmaterialien erstellt wurden, vermittelt auf spielerisch-unterhaltsame Weise die mit dem Bergbau verbundenen Sagen und Legenden der Deutschen und ihrer Nachbarn im Hauerland.
Artikel dazu im Karpatenblatt:
»Glück auf – Gašpar im Hauerland« feiert Premiere
So klingt das karpatendeutsche Marionettentheater

 
Literatur

Hochberger, Ernst: Das große Buch der Slowakei. 5. Auflage 2017

Kalus, Peter: Die Fugger in der Slowakei. Augsburg 1999

Pöss, Ondrej: Geschichte und Kultur der Karpatendeutschen. Preßburg 2005

Šášky, Ladislav: Kunstdenkmäler der Slowakei. Bratislava 1988

Links

www.allaboutslovakia.webnode.sk/de/touristische-reiseziele/bezirk-banska-bystrica/ehemalige-mittelslowakische-bergbaustadte
Ehemalige mittelslowakische Bergstädte. Bebilderte Beschreibungen der einzelnen Bergstädte auf »All about Slovakia«
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www.fuggerstrasse.eu/de/banska-bystrica
Eintrag über Neusohl/Banská Bystrica auf den Seiten der Europäischen Fuggerstraße
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www.karpatenblatt.sk/quiz-sprechen-sie-hauerlaenderisch
Sprechen Sie Hauerländisch? Quiz auf Onlineportal des Karpatendeutschen Vereins in der Slowakei
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