Seiner freiheitlichen Gesinnung wegen wurde Alexander Puschkin vom Zaren und von dessen Machtapparat kontrolliert, zensuriert oder verbannt. Doch das schloss eine Identifikation des Dichters mit dem russischen Imperium und dem starken Staat keineswegs aus.
Neue Zürcher Zeitung, 25.06.2022

Von Sonja Margolina

[…] Im Gedicht empfiehlt er der europäischen Öffentlichkeit, die Finger von der Geschichte des »alten Streits der Slawen untereinander«, von ihren »Familienzwistigkeiten«, von denen sie keine Ahnung hätten, zu lassen. Ihr ignoriert,

»was Moskau oder Praga melden
Verschweigt ihr, aber nützt euch das?«

und

»Staunt lieber an nur Polenhelden
Schürt weiter gegen uns den Hass«

Diesen Hass führt Puschkin auf den Sieg Russlands über Napoleon zurück –

»weil wir mit Zittern nicht und Wimmern
Wie ihr vor ihm das Knie [nicht] gebeugt«

–, und er droht den Europäern im Fall der militärischen Unterstützung Polens mit Krieg:

»Der alte Recke«

würde es ihnen zeigen.

»Mag ganz Europa uns bekriegen
Der Russe weiss, wie stets, zu siegen
Von Perm bis Taurien stehn Millionen Männer auf,
Von Finnlands Felsen bis zur heissen Kolchis Strande.«

[…]

Der Slawen alter Streit – ein antipolnisches Gedicht von Puschkin prägte das russische Selbstverständnis als überlegene Kulturnation
Der gesamte Artikel in der Online-Ausgabe der NZZ