So wie Venedig und Istanbul ist Odessa eine Stadt, die von Mythen und Träumen, Geschichten und Visionen bevölkert ist. Puschkin und Gogol, Babel und Eisenstein liessen dort ihrer Phantasie freien Lauf und schufen eine Realfiktion, deren Zauber heute noch lebt.
Neue Zürcher Zeitung, 06.05.2022

Von Bora Ćosić

Als ich vor einigen Jahren in Odessa war, hätte ich mir nicht träumen lassen, dass jemand die Statue der Zarin Katharina der Grossen mit Sandsäcken würde verhüllen müssen, als wäre von jenseits des Styx Christo (Jawaschew) aufgetaucht, um dies zu tun. Doch nun haben russische Truppen vor, diese marmorne Stadt zu erobern, mitsamt der verhüllten Statue der berühmten russischen Zarin. Diese Dame hatte im Übrigen nicht einen Tropfen russischen Bluts in sich, sie war eine Deutsche. Und so rücken die russischen Reihen an der Schwarzmeerküste voran, um die mythische russische Metropole zu okkupieren, als wollten sie Berlin erobern. […]

Noch einmal Odessa – die Metropole am Schwarzen Meer ist nicht nur eine unsterbliche Stadt dichterischer Tragödien und avantgardistischer Filmkunst, sondern auch ein Ort kostbaren Wahnsinns
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