Im Kulturhauptstadtjahr 2022 erinnert man sich in Kaunas an Licht und Schatten einer Grenzregion, die stets um Selbstbewusstsein rang und in der Zwischenkriegszeit von 1918 bis 1939 einen Aufbruch erlebte. Der Ukraine-Krieg verleiht vielem zusätzliche Brisanz.
Neue Zürcher Zeitung, 23.04.2022

Von Judith Leister

Manchmal muss sich Virginija Vitkiene schon wundern. Jüngst erreichte die Chefin von »Kaunas 2022« wieder einmal eine Anfrage aus – sagen wir mal – Deutschland, ob man denn nach Kaunas reisen könne, ob es dort denn nicht »gefährlich« sei. Sie habe daraufhin ironisch zurückgefragt, erzählt sie, ob es denn »gefährlich« sei, nach Deutschland zu fahren. Das Kulturhauptstadt-Team in Kaunas lässt sich vom Krieg in der 800 Kilometer entfernten Ukraine nicht aus dem Takt bringen, obwohl die Bilder von dort sehr schmerzen. »Wir Ausstellungsmacher wollten in diesem Jahr eine Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit«, sagt Vitkiene. »Die Erinnerung sollte im Mittelpunkt stehen. Jetzt erleben wir traurigerweise, dass Kriege und Massaker selbst in Europa noch immer zur Gegenwart gehören. Durch die gegenwärtigen Ereignisse hat unser historisches Konzept eine zusätzliche Bedeutungsebene bekommen.« […]

Das litauische Kaunas vibrierte vor hundert Jahren vor Modernität, um bald darauf in Vergessenheit zu geraten. Heute ist eine Reise dahin eine Reise in die Erinnerung
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