Von Bernd Noack
Es ist sechs Uhr abends, und an den Flügel im Café Slavia in der Prager Národní-Strasse tritt ein älterer Herr. Er sieht so unscheinbar aus wie ein Beamter der Arbeiterunfallversicherung, und dann greift er sachte in die Tasten, und es klingt sanft wie bei Richard Clayderman. Kein Walzer, kein Smetana, auch kein Jazz, nur verträumte Töne, die durch den grossen Raum schweben, sich vermischen mit dem Gemurmel der Gäste. Das sind um diese Stunde Müßiggänger beim Apéritif, nur vereinzelt Touristen, die das berühmteste Prager Kaffeehaus wohl bei Tripadvisor gefunden haben, und schüchterne junge Pärchen, ein wenig steif in feiner schwarzer Garderobe, die gleich hinübergehen werden in die Oper, deren Portal schon festlich erleuchtet ist. Ein ganz normaler Kaffeehaus-Nachmittag, an dem man den Tag ausplätschern lässt oder den Abend erwartungsfroh beginnt. […]
In einem »Traumcafé« ist alles wahr – auf Suche nach der versunkenen Welt der Prager Kaffeehäuser
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Mätresse, Pionierin, Cafetière: Frauen in den Prager Kaffeehäusern um 1900
Im Zuge der Modernisierung Prags zu einer europäischen Metropole hatten sich die Kaffeehäuser in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu besonderen Räumen des öffentlichen Lebens entwickelt. Während für Männer der Gang ins Kaffeehaus eine Selbstverständlichkeit war, mussten sich Frauen dieses Recht erst erkämpfen. Schließlich wurden sie zu »Steigbügelhaltern der Frauenemanzipation in Prag«. Von Magdalena Burger
März 2020 – Kulturkorrespondenz östliches Europa № 1413