Ab Herbst 1902 absolvierte der frischgebackene Ingenieur Robert Musil an der Technischen Hochschule in Stuttgart ein Volontariat. Dampfmaschinen und anderes interessierten ihn indes kaum. Stattdessen begann er am «Törless» zu schreiben.
Neue Zürcher Zeitung, 29.07.2018
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Von Karl Corino

Er wollte eigentlich Offizier werden, entdeckte aber an der Wiener Militärakademie im Fach Ballistik seine technischen Fähigkeiten, zog nach einem Vierteljahr des Kaisers Rock aus und wechselte im Januar 1898 an die Deutsche Technische Hochschule in Brünn, an der sein Vater Professor für Maschinenbau war. »Außer der Sprunghaftigkeit seines Entschlusses verdient festgehalten zu werden der Ernst, mit dem er seine neue Laufbahn antrat«, heißt es in Musils Roman-Entwurf Der Spion. »Er zeigte dabei Eigenschaften, welche ihn zu einem ehrenhaften und für unsere Zeit exemplarischen Leben befähigt hätten.« Er glaubte, im Ingenieur hätten Alkibiades und Napoleon »zivile Gestalt angenommen«. […]

[…] » Ich war 22 Jahre alt, trotz meiner Jugend schon Ingenieur und fühlte mich in meinem Beruf unzufrieden. Jeden Abend um ½ 9 Uhr besuchte mich eine Freundin [Herma Dietz, die mit ihm aus Brünn an den Neckar gezogen war; sie war das Modell für Tonka in Musils gleichnamiger Novelle], aus dem Büro kam ich aber schon um 6 Uhr nach Hause, Stuttgart, wo sich das abspielte, war mir fremd und unfreundlich, ich wollte meinen Beruf aufgeben und Philosophie studieren (was ich bald auch tat), drückte mich von meiner Arbeit, trieb philosophische Studien in meiner Arbeitszeit und am späten Nachmittag, wenn ich mich nicht mehr aufnahmefähig fühlte, langweilte ich mich. So geschah es, dass ich etwas zu schreiben begann, und der Stoff der gleichsam fertig dalag, war eben der der ‹Verwirrungen des Zöglings Törless›.« […]

»Herr Musil wird niemals ein ordentlicher Ingenieur«
Der gesamte Artikel in der Online-Ausgabe der NZZ