Deutsche Welle Monitor Ost- / Südosteuropa, 06.10.2003
Warschau, 6.10.2003, GAZETA WYBORCZA, poln.
Über 7 000 Personen sind am vergangenen Samstag (04.10.) nach Wrocław (Breslau) gekommen, um am ersten Kulturfestival der deutschen Minderheit in Polen teilzunehmen. Sie amüsierten sich gut und die Musik übertönte die Politik.
Die Veranstalter behaupteten noch am Freitag (03.10.), dass zu diesem Festival etwa 2 000 Gäste erwartet werden. Schon am nächsten Tag fand jedoch in der Breslauer Veranstaltungshalle »Hala Ludowa« ein Kampf um die Sitzplätze statt. Die meisten Deutschen kamen aus der Woiwodschaft Opole (Oppeln) – etwa 3 000 Personen, aber wir sahen auch Busse aus Oberschlesien, Ermland, Masuren und Pommern.
Die Gäste wurden von Friedrich Pertrach, dem Vorsitzenden der Dachorganisation der sozio-kulturellen Verbände der Deutschen in Polen begrüßt. Als er einige anwesende Abgeordneten der Partei CDU/CSU willkommen hieß, reagierte das Publikum mit heftigem Beifall. Das war aber der einzige politische Akzent während der ganzen Veranstaltung. Die Politik wurde hinter die Bühne verbannt und vor allem vom Vorsitzenden der Schlesischen Landsmannschaft, Rudi Pawelka, betrieben.
Er erzählte den ihn umgebenden Journalisten davon, wie die deutsche Bevölkerung in Polen diskriminiert und enteignet wird. Rudi Pawelka hob besonders die Forderungen von Personen hervor, die nach 1956 nach Deutschland umgesiedelt sind und ihre Immobilien in Polen zurücklassen mussten: »Die Deutschen wurden noch vor Kurzem aufgrund der Dekrete von 1946 enteignet. Ihr gebt den Juden und den Amerikanern ihr Eigentum zurück aber den Deutschen nicht. Das ist nach den Gesetzen der Europäischen Union eine Diskriminierung. Ich würde es begrüßen, wenn man den Vertriebenen sagen würde, dass sie hierher kommen und sich niederlassen dürfen. Dies wäre ein Akt der moralischen Wiedergutmachung. Ich selbst möchte nicht zurückkehren, obwohl ich in Breslau geboren bin«, erklärte Rudi Pawelka.
Er wollte nicht sagen, wie viele Personen sich um die Rückgabe ihres Eigentums bemühen: »Es handelt sich dabei um eine nicht große Gruppe. Wir wollen Polen nicht vernichten, sondern dieses Problem gerecht lösen. Die Deutschen haben bereits Wiedergutmachung geleistet und eine Entschuldigung wegen des von ihnen begangenen Unrechts ausgesprochen. Die Vertriebenen erwarten dasselbe«, sagte Rudi Pawelka. Er konnte jedoch nicht präzisieren, woraus diese Wiedergutmachung bestehen sollte. Rudi Pawelka war zu dem Festival nicht eingeladen.
Ein viel größeres Interesse als die Äußerungen des Vorsitzendenden der Landsmannschaft Schlesien wurde jedoch den Künstlern entgegengebracht wie z. B. dem Blasorchester des Bergwerkes »Sosnica« in Głiwice (Gleiwitz): »Das ist durchaus ein polnisches Orchester, aber wir haben unter uns auch einige Deutsche. Das ist doch selbstverständlich, da wir aus Schlesien kommen. […] Was wir hier machen? Wir integrieren uns, weil die Musik überhaupt keine Grenzen kennt«, sagten die Musiker. (Sta)