Deutsche Welle, Monitor Ost- Südosteuropa, 08.09.2003
Bonn, 08.09.2003, DW-radio, Nora Goebbel/ Markus Tremmel
Wer nach Rumänien reist, wird überrascht sein, wie viele Menschen Deutsch sprechen können. Gerade in den ehemals deutschen Siedlungsgebieten, in Siebenbürgen und dem Banat, aber auch in Bukarest ist die deutsche Kultur immer noch lebendig. Und das obwohl die meisten Deutschstämmigen schon während der Ceausescu-Ära ausgewandert sind. Trotzdem nimmt das Interesse an der deutschen Sprache in der rumänischen Bevölkerung zu. Die Jahrhunderte alten, traditionellen deutschen Schulen, die zum Teil seit 1450 existieren und einst für die deutsche Minderheit in Rumänien erbaut wurden, werden heute hauptsächlich von rumänischen Kindern und Jugendlichen besucht. Deutsch gilt in Rumänien als elitäre Bildungssprache, die das Tor nach Europa öffnet. Auch Diana Toncianu, Schülerin des Goethe-Kollegs in Bukarest, möchte in Deutschland studieren. Nora Goebbel und Markus Tremmel haben sie an ihrer Schule, dem Goethe-Kolleg mitten in Bukarest, getroffen, als sie sich gerade auf ihr deutsches Abitur vorbereitete …
Schülerin: »Jetzt mache ich Mathematik, das ist für das Abi und jetzt bin ich nervös. In 6–7 Monaten ist Abi, Mathe ist ziemlich schwer, ich glaube, ich werde es schaffen, wenn Gott will … Ich war schon im deutschen Kindergarten und ich bin bei der deutschen Spezialabteilung. Das heißt, ich werde das deutsche Abitur bestehen. Ich möchte sehr gerne nach Deutschland fahren und vielleicht auch für die Hochschule, also studieren ein Jahr, es wäre interessant, Jura.«
Diana Toncianu gehört zur großen Mehrheit der rumänischen Schüler am Goethe-Kolleg. Manuela Mihaita ist stellvertretende Schulleiterin und Dianas Deutschlehrerin. Sie hat die Entwicklung der Schule vor und nach der Revolution von 1989 miterlebt: Manuela Mihaita: »In den letzten 20 Jahren sind sicher viele Deutschstämmige nach Deutschland gezogen, aber wie Sie sehen, die Schüleranzahl, können wir sagen, ist konstant geblieben oder sogar gewachsen, weil sehr viele rumänische Kinder und Eltern an der deutschen Sprache sehr interessiert sind.«
Nicht nur die Zusammensetzung der Schülerschaft hat sich verändert, sondern nach der Wende auch die der Lehrer. Gute Deutschlehrer sind heute rar. Manuela Mihaita »Wir fragen immer und suchen unsere Absolventen und die kommen dann zurück auch als Lehrer, wie auch in meinem Fall.« Christine Lazer, Deutschlehrerin am Goethe-Institut, berichtet von der Herausforderung für die neuen Lehrer, die meisten von ihnen Rumänen, die nun rumänischen Schülern auf Deutsch Unterricht erteilen: »Heute ist es tatsächlich so, dass höchstens ein oder zwei Schüler deutschstämmig sind und dass alle anderen eine andere Muttersprache haben, und es heißt nur noch 'Deutsch als Muttersprache', ist aber in Wirklichkeit eigentlich 'Deutsch als Fremdsprache', und damit müssen die Lehrer eigentlich kämpfen, müssen sich langsam auch darauf umstellen.«
Trotzdem soll die Schule weiterhin als deutsche Schule funktionieren. Zu 95% wird noch heute der Unterricht auf Deutsch gehalten und die Schüler werden gezielt auf das deutsche Abitur vorbereitet. Manuela Mihaita: »Nach den 90-er Jahren gibt es hier eine deutsche Spezialabteilung, die hat ab der 9. Klasse zwei Spezialklassen und es kommen auf Besuch Lehrer aus Deutschland, die unterrichten hier. Und die Schüler in diesen Spezialklassen schreiben ein Abitur, das sowohl in Deutschland als auch in Rumänien gültig ist.«
Das Kultusministerium in Deutschland stellt die Aufgaben der Abiturfächer. Das Abitur gibt den Schülern die Möglichkeit, ein deutsches Studium zu absolvieren. Uwe Lehners ist seit 2000 Leiter der Sprachabteilung des Goethe-Instituts in Bukarest: »Es gibt die Möglichkeit auf der Universität in deutschsprachigen Studiengängen zu studieren. Das gilt nicht nur für Germanistik, sondern auch für Philosophie, Bauwesen, Wirtschaftswissenschaften, Jura, es gibt alle Studiengänge im Grunde auch auf Deutsch.« Nicht nur innerhalb von Rumänien, sondern auch in Deutschland steht den Schulabgängern die Möglichkeit eines Studiums offen. Der Hauptantrieb, so vermutet Christine Lazer, sind bessere Berufs- und Verdienstmöglichkeiten: »Ein Student, wenn er mal Deutsch kann, hat natürlich enorme Chancen, zum Beispiel ein Stipendium über den Deutschen Akademischen Austauschdienst zu bekommen, oder aber er kann ein Master Studium in Deutschland über verschiedene Stiftungen machen. Ich denke aber, was ganz interessant ist, dass sehr viele junge Ärzte eigentlich von Rumänien nach Deutschland fahren. Und da habe ich festgestellt, dass eine ganze Reihe von jungen Leuten gerade jetzt plötzlich das große Interesse hat an der deutschen Sprache. Die Gruppe, die eigentlich am meisten in meinen Klassen ist, das sind junge Leute, das sind Studenten von der Wirtschaftsakademie und im Kommen sind die Schüler.« (MK)