Frankfurter Allgemeine Zeitung • 18.09.2010
Oskar Pastior, Büchner-Preisträger und Inspirationsquelle für Herta Müllers großen Roman »die Atemschaukel«, hat in den sechziger Jahren für den rumänischen Geheimdienst gearbeitet. Ernest Wichner, sein langjähriger Freund und bester Kenner seines Werks, hat Pastiors Securitate-Akte für uns gelesen.
[…] Als wir im Herbst 2005 am ersten Band seiner Werkausgabe arbeiteten, erzählte mir Oskar Pastior, dass er vom Herbst 1956 an, besonders nach der Niederschlagung des Ungarnaufstands, in permanenter Angst gelebt habe, abgeholt zu werden. Ein Versuch, diese Angst literarisch zu fassen, stelle sein Anfang 1957 geschriebenes Gedicht »Da ist doch das Dach der Chinesischen Gesandtschaft, ach« dar. Dieses Dach habe er aus einem Fenster der ARLUS-Bibliothek sehen können, in der er hauptsächlich die Bücher gelesen habe, die Alfred Kittner ihm aus seiner Privatbibliothek mitgebracht hatte. Wasserspeier in Form von Drachenköpfen und »eisenrote Löwen« zierten das Dach. Das Gedicht endet mit den Zeilen:
»Der Wind fährt manchmal mit den Drachen oben vorüber, / Dann heult das Radio, / Dann geht der Mensch vorüber, / Dann kommt das Auto an. // Sage mir was du fühlst. / Schreibe was du fühlst.«Wenn in jenen Jahren Autos ankamen, so kamen sie, um jemanden abzuholen, den man lange nicht mehr sah. »Schreibe was du fühlst« war eine Selbstermahnung. Aber wie schreibt man über panische Angst in einer Zeit, in der Bekenntnisse zur Partei und Fortschrittsoptimismus vom Gedicht erwartet wurden? […]
- Die späte Entdeckung des IM »Otto Stein«
Der gesamte Artikel in der Online-Ausgabe der f.a.z.