Der Literaturnobelpreisträger Imre Kertész im Gespräch
Johanna Adorján

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung • 11.07.2010

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f.a.s.: In Budapest kann man derzeit auf vielen Autos Aufkleber sehen, die das Land in den Grenzen von vor 1920 zeigen, Großungarn-Sticker sozusagen. Finden Sie das beunruhigend?

Imre Kertész: Schauen Sie, die ungarische Geschichte war nie sehr glücklich. Das Land hat 1920 zwei Drittel seines Territoriums verloren, das ist ein ganz großes nationales Trauma. Und man konnte es nicht aufarbeiten, im Kommunismus wurde darüber nicht gesprochen. Aber Geschichte lässt sich nicht abschließen - man muss mit ihr arbeiten. Die Deutschen haben ihre Arbeit gemacht. Es ist eine ewige Arbeit, mit Geschichte umzugehen, die Deutschen stellen sich ihr. […]