Die Welt • 30.06.2010
[…] Gerne wird als Erklärung dafür herangezogen, die Ungarn hätten eine besonders große Zuneigung zu totalitärem Gedankengut: Sie seien das Mitherrschervolk über andere, kleinere Nationalitäten in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie gewesen und hätten sich immer schon für etwas Besseres gehalten. Nach deren Untergang seien sie aus revanchistischen Interessen ihren Nachbarn gegenüber zu Verbündeten Hitlers geworden, sie hätten sich, das Totalitäre gewohnt, willfährig der kommunistischen Diktatur unterworfen, von der sie sich nicht selber befreit hätten, sondern nur durch den Zusammenbruch der Sowjetunion. Auch wenn das alles stimmt: Die Ungarn sind nicht rassistischer, antisemitischer oder nationalistischer als ihre Nachbarn, und dazu prädestiniert sind sie schon gar nicht. Es war erst das Versagen verantwortungsloser Eliten, das aus vorhandenen Neigungen im Falle Ungarns politische Bewegungen machte. Sie waren es, die den üblen Geist aus der Flasche ließen, den nun keiner mehr beherrscht – auch Fidesz nicht, die glaubte, mit Ressentiments Machtpolitik betreiben zu können. […]
- Politische Abenteurer an der Donau
Der gesamte Artikel in der Online-Ausgabe der ŵelt