Von Hannelore Baier
Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien.
Filmplakat: »Mănuși roșii« (Rote Handschuhe)
»Als die ›Sensation‹ des Transilvanian International Film Festivals (TIFF) in Hermannstadt/Sibiu wurde der Streifen von Radu Gabrea Rote Handschuhe von den lokalen Medien dargestellt. Es ist Gabreas zweite Verfilmung eines Romans von Eginald Schlattner nach Der geköpfte Hahn. Anders als bei diesem – der in Hermannstadt bei TIFF 2007 vorgestellt worden war –, hatte der Regisseur bei Rote Handschuhe freie Hand bei Drehbuch, künstlerischer Gestaltung und der Auswahl der Darsteller. Die ausschließlich rumänische Produktion ist weitaus besser als der zuweilen in Hollywood-Klischees abgleitende Geköpfte Hahn.
Der Roman Rote Handschuhe ist bekanntlich die Geschichte seines Autors Eginald Schlattner: Als Student der Hydrologie und Leiter eines studentischen Literaturkreises in Klausenburg wurde er 1957 verhaftet, nach Kronstadt ins Gefängnis gebracht und im Prozess gegen fünf bekannte siebenbürgisch-sächsische Schriftsteller als Zeuge missbraucht. Die Terrorwellen jener endfünfziger Jahre galten der ›Disziplinierung‹ sämtlicher Gesellschaftskreise, um zu verhindern, dass es zu einem Aufmucken wie in Ungarn 1956 kommt. Wer einiges über Prozesse aus der Zeit des stalinistischen Terrors gelesen hat weiß, dass die Personen grundlos verhaftet wurden und ihnen dann ein Schuldregister eingetrichtert worden ist nach einem Szenario, das die Securitate (oder andere Repressionsapparate) gemäß der ›von oben‹ erhaltenen Befehle konstruierte.
Schlattner, psychisch angeschlagen, hielt der psychischen und physischen Folter nicht Stand und machte belastende Aussagen gegen die Schriftstellerkollegen. Und gegen seinen eigenen Bruder. Dass die fünf Schriftsteller verurteilt werden, stand jedoch längst fest und Schlattner war nicht der einzige ›Zeuge‹, der gegen sie aussagte. Er selbst wird wegen ›Nichtanzeigens von Hochverrat‹ ebenfalls verurteilt, aber ›nur‹ zu einer zweijährigen Haftstrafe, und er kommt bald frei. Dafür wird er von der sächsischen Gemeinschaft künftig geächtet.
Mit der Heimkehr aus dem Gefängnis beginnt der Film. In Einblenden werden die Gespräche mit dem Psychiater, in dessen Behandlung er war, die Verhaftung im Zimmer des Rektors, die Einkerkerung und der Tagesablauf im Gefängnis, die Verhöre, die Gespräche mit den Zellenkollegen, der Prozess aber auch ein Familienessen rückgespult. Schließlich wird der Heimgekommene wieder abgeholt und kommt erneut in psychiatrische Behandlung.
Der im Roman namenlose Ich-Erzähler heißt im Film Felix Goldschmidt, wie Schlattners Hauptfigur im Geköpften Hahn. Verkörpert wird er von Alexandru Mihăescu, der die Rolle des gutgläubigen jungen Mannes voller Widersprüche, der schließlich an sich selbst verzweifelt, großartig spielt. Hervorragend ist auch Udo Schenk als Major Blau. Klug, gebildet und schlau stellt er diese Eigenschaften in den Dienst der Securitate, an deren richtiges Vorgehen er glaubt. Gelungen sei es dem Regisseur, mittels dieser Gestalt nicht bloß die Brutalität, sondern auch die Subtilität des Terrors herüberzubringen, befand Schlattner in der Diskussion am vergangenen Samstagnachmittag im Teutsch-Haus nach der Filmvorführung. Insgesamt wurde der Streifen von den Zuschauern und Teilnehmern an der von TV-Moderatorin Marina Constantinescu geleiteten Debatte als ›überzeugend‹ eingeschätzt.
Rote Handschuhe ist der Film einer tragischen Schuld, erklärte Regisseur Radu Gabrea im Interview der TIFF-Zeitung. Einfließen lassen hat er in die Gestaltung die eigene Hafterfahrung im kommunistischen Gefängnis. Die Zerstörung jedwelchen Selbstwertgefühls, die Erniedrigungen bei der Leibesvisitation und dem ›Programm‹, d. h. dem Verrichten der Notdurft und der Morgentoilette, das Aufsetzen der Blechbrille, die Zellen-Psychose, das Knarren der Eisentüren, die Klopf-Kommunikation, all das hat er ebenfalls erlebt. Die Darstellung erfolgt ohne jedwelchen Pathos – und wirkt wohl deswegen so glaubhaft.
Er habe versucht, die Wahrheit zu zeigen, sagte Gabrea. In der Revision des Prozesses wurde 1968 angegeben, dass Schlattner als psychisch Angeschlagener von der Securitate auserkoren worden war, der ›Verräter‹ an seinen Schriftstellerkollegen und Freunden zu sein. Juristisch betrachtet, sind seine Aussagen folglich nichtig. Das Buch hatte er als Schritt zur Versöhnung geschrieben – verstanden und aufgenommen wurde es als Selbstrechtfertigung. Er sei mit sich schonungslos ins Gericht gegangen und hatte gehofft, sich mit den anderen Beteiligten am Prozess ›jenseits von Legenden und Sagen‹ zusammenzusetzen, um zu versuchen festzustellen, was damals geschehen ist, sagte der Autor. Statt Verständnis erntete er Beschimpfungen und Verachtung. Er habe die Verantwortung für seine Schuld und Fehler übernommen, die Opferrolle stehe dem Verständnis seiner Person fremd. Der Umgang mit der eigenen Schuld und ein Differenzieren im Be- und Verurteilen fehle in Rumänien, meinte Marina Constantinescu. Gefragt, wie er diese Audio-Video-Replik seiner Biografie empfinde, sagte Schlattner: ›Die Spannung ist kaum zu ertragen. Der Film ist zu nahe am Roman, der Roman zu nah am Erlebten‹.«
(Quelle: Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien)
Der Film einer tragischen Schuld
Der Originalartikel in der Online-Ausgabe der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien