Statt sich großräumig zu definieren, kultiviert Europa den Kleingeist
Adam Krzemiński

Neue Zürcher Zeitung • 24.02.2010

[…] Trotzdem beklagen viele Ostmitteleuropäer, wie unlängst die Rumänin Carmen Francesca Banciu, den »Fluch«, rumänisch, polnisch, lettisch oder slowakisch zu sein. Andere dagegen, wie der Pole Andrzej Stasiuk, gefallen sich in trotziger Selbststilisierung: Ihr wollt uns als Wodka saufende Barbaren sehen? Das könnt ihr haben! Wir sind doch eh nur an euren Geldscheinen interessiert. Im Übrigen könnt ihr uns mit euren Museen und Manieren gestohlen bleiben, auch wenn wir die Wehrmauern eurer Städte bereits überrannt haben. Zu Hause fühlen wir uns sowieso eher in der Dobrudscha als an der Côte d'Azur …

Solches mag eine Retourkutsche für die Nabelschau des Westens sein und dessen Hang, seine östlichen Ränder eher als Bedrohung denn als Chance zu betrachten. Ob polnischer Klempner oder rumänischer Taschendieb, tschechischer Euroskeptiker oder ungarischer Sprachennationalist – die negativen Klischees dominieren, während man positive Nachrichten mit Kopfschütteln quittiert. Nach wie vor werden Polen, Ungarn oder Tschechien nur bedingt als ein souveräner Teil des Westens begriffen. […]