Nach der Übersiedlung
Karl-Peter Schwarz

Frankfurter Allgemeine Zeitung • 08.10.2009

[…] Verstörend und erschreckend war hingegen die Enthüllung, wie weit der Arm der Securitate über Rumänien hinaus auch nach der Ausreise der Schriftstellerin im Jahre 1987 reichte, wie sie auch noch in Deutschland systematisch verfolgt wurde. Der Höhepunkt der Infamie war die geschickt plazierte Verleumdung, Herta Müller selbst sei eine Agentin des kommunistischen Geheimdiensts, eine Desinformation, die ihrer Darstellung zufolge gerade von der Banater Landsmannschaft bereitwillig aufgenommen worden sei:

»Seit dem Erscheinen der niederungen führte die Landsmannschaft in ihrem Blatt banater post eine Rufmordkampagne gegen mich. Fäkaliensprache, Urinprosa, Nestbeschmutzerin, Parteihure waren die gängigen Urteile ihrer hauseigenen »Literaturkritik«. Ich sei ein Spitzel, behauptete man, habe die niederungen gar im Auftrag der Securitate geschrieben. Während ich auf der Betontreppe der Fabrik saß, war die Landsmannschaft offenbar im trauten Beisammensein mit dem Botschaftspersonal der Ceauşescu-Diktatur. Ich hingegen hätte mich nie getraut, einen Fuß in diese Botschaft zu setzen, weil ich nicht wusste, ob ich von dort wieder herauskommen würde. Angesichts dieser Beziehungen zu Ceauşescus Diplomaten wundert es nicht, dass die Landsmannschaft in all den Jahren über die Diktatur keine einzige kritische Silbe geäußert hat. Im Bunde mit dem Regime hat sie den Ausverkauf der Rumäniendeutschen betrieben, das Kopfgeld von bis zu 12.000 D-Mark, das die Bundesrepublik für jede auswandernde Person bezahlte, hat die Landsmannschaft nicht gestört. Genauso wenig, dass dieser Menschenhandel eine beträchtliche Devisenquelle für die Diktatur war. In der gleichen Einvernehmlichkeit mit dem Regime teilte man sich den Hass auf mich genauso wie die Verleumdungsarbeit. Ich wurde zum Hauptfeind hochstilisiert, wurde als permanentes Angriffsziel zum Bestandteil der Landsmannschafts-Identität. Wer mich verleumdete, bewies seine Heimatliebe.«
[…]