Polen erprobt neue Formen historischer Vergegenwärtigung
Gerhard Gnauck

Neue Zürcher Zeitung • 19.09.2009

[…] Woher kommt der Bedarf an Popularisierung von Ereignissen, die – wie der Warschauer Aufstand – vor 1989 von den Machthabern verzerrt dargestellt und von der Weltöffentlichkeit, so die verbreitete Auffassung, bis heute nicht angemessen gewürdigt wurden? Kommt hier der «romantische Code» der polnischen Kultur zum Tragen, den Maria Janion, die Grande Dame der polnischen Philologie, in den neunziger Jahren beschrieb (und vorschnell für tot erklärte)? Dieser Deutung neigt Mirosław Peczak zu, Soziologe und Redaktor der Zeitschrift polityka: »Die jungen Leute haben die Gespräche darüber satt, wie man am besten Geschäfte macht und Kredite abzahlt. Sie brauchen einen Mythos, der sie emotional bewegt. Dabei wird der kritische Sinn gegenüber dem Heldentum von damals weitgehend ausgeschaltet.« […]