Neues Domizil des Ungarischen Kulturinstituts soll bis Dezember 2005 in der Dorotheenstraße errichtet werden
Wolfgang Rackebrandt
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Das alte Gebäude des Berliner Collegium Hungaricum in der Dorotheenstraße 12, das in den Endkämpfen um Berlin im Mai 1945 schwer beschädigt und nach dem Kriege abgetragen wurde. An seiner Stelle wird bis Ende 2005 ein neues ungarisches Kultur- und Wissens

Vorgesehene Nutzfläche 3000 m² • Finanzierung über private Investoren • Profil des neuen Instituts soll auch wissenschaftliche Aktivitäten umfassen

Laut einer Pressemeldung des Ungarischen Ministeriums für Nationales Kulturerbe hat die die ungarische Regierung nach siebenjährigen Vorüberlegungen am 3. Juli beschlossen, für das Berliner Kulturinstitut ein neues Gebäude zu errichten. Das ungarische Ministerium für Nationales Kulturerbe erklärte, dass das Vorhaben durch Gelder von Investoren finanziert werden solle.

Für die Auswahl des Investors und die Planung des Gebäudes wird in naher Zukunft ein Wettbewerb ausgeschrieben, an dem sich aller Wahrscheinlichkeit auch Bewerber aus dem Ausland beteiligen können. Den bisherigen Schätzungen zufolge ist von einer Investitionssumme in Höhe von 3,5–4 Milliarden Forint (ca. 13,4–15,2 Millionen Euro) auszugehen.

Das Gebäude soll eine Nutzfläche von 6000 m² bieten. Die Hälfte dieser Fläche soll dem Collegium Hungaricum zur Verfügung stehen, die anderere Hälfte soll durch den Investor vermietet werden.

Die Pläne für die zukünftige Tätigkeit des Collegium Hungaricum stehen Kulturminister István Hiller zufolge bereits fest: Das Profil soll über das eines Kulturinstituts deutlich hinausgehen und auch wissenschaftliche Aktivitäten umfassen.

Das Grundstück in unmittelbarer Nähe der Humboldt-Universität, der Staatsbibliothek und der Museumsinsel, auf dem das Gebäude errichtet werden soll, befindet sich seit dem Jahre 1926 im Besitz des ungarischen Staates.

Das Collegium Hungaricum hatte hier bereits von 1926 bis 1944 seine Heimstatt. Die damalige Einrichtung existierte und arbeitete in enger personeller und räumlicher Verflechtung mit dem ungarischen Institut der Berliner Universität. Ihre hauptsächliche Aufgabe bestand nicht in der kulturellen Brückenkopffunktion, sondern in der Förderung talentierter ungarischer Nachwuchswissenschaftler, die ihre Studien in Berlin, damals einem der Zentren des internationalen wissenschaftlichen Lebens, weiterführen und wissenschaftliche Kontakte mit dem Ausland aufbauen sollten. So besuchte in der Zwischenkriegszeit die Elite der jungen ungarischen Akademiker die Kollegien. Stellvertretend für viele bedeutsame Namen seien hier nur der Schriftsteller Dezső Keresztury, der Regisseur Antal Németh sowie der Philologe und spätere Leiter des Instituts für Finnougristik der Humboldt-Universität, Béla Szentiványi, genannt.

Das im Jahre 1973 eröffnete Haus der Ungarischen Kultur in der Karl-Liebknecht-Straße hatte seinen Schwerpunkt auf kulturellem und nicht auf wissenschaftlichem Gebiet. Es war ein Ort, an dem Andersdenkende die relative Freiheit der Kultur in der Ungarischen Volksrepublik erleben und Kontakte zu Gleichgesinnten in Europa finden konnten – eine Funktion, die dem Haus mancherlei Probleme beschert hat.

Nachdem die Sonderrolle Ungarns als „fröhlichste Baracke im sozialistischen Lager“ durch die Wende weggefallen war, erwies sich eine Neukonzeption der Arbeit als notwendig, die darauf abzielte, im Rahmen einer teilweise multinational und regional definierten Richtung die wirkliche Situation und die Möglichkeiten Ostmitteleuropas aufzuzeigen (Tagungen über die Wege der wirtschaftlichen Integration, über die Vergangenheitsaufarbeitung, deren Defekte und reale Perspektiven, über das Bild der politischen Vergangenheit in der Kunst, die literarische Aufarbeitung der Wende u.a.m.).

Heute werden pro Jahr werden 80–100 Veranstaltungen angeboten (Film- und Videovorführungen; Konzerte Ausstellungen; Podiumsgespräche, Vorträge und Lesungen; Mediathek mit ca. 9000 Büchern, Videos, Audiokassetten, Zeitungen und Zeitschriften; Sprachkurse für Anfänger und Fortgeschrittene; ungarischer Schulunterricht für Kinder und Jugendliche, Beschäftigung in ungarischer Sprache für Vorschulkinder), wobei der Akzent sowohl auf der Entwicklung eigener Programme als auch auf Kooperationen mit anderen Veranstaltern liegt. Wechselnde Themenschwerpunkte liegen auf den Bereichen Kunst, Literatur, Gesellschaftspolitik und Kulturgeschichte.