Sudetendeutscher Politiker für Staatsorden vorgeschlagen • Diskussion über Entschädigung an besonders schwer geschädigte Sudetendeutsche • Regierung vertagt Entscheidung über Entschädigung deutscher Minderheit

Radio Prag, 30.06. – 02.07.2003

Außenministerium: Forderungen in deutsch-tschechischen Beziehungen bremsen Vergangenheitsbewältigung

02.07.2003, Dagmar Keberlová

Das tschechische Außenministerium ist von der Idee, einige Sudetendeutsche aus dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfond zu entschädigen, nicht sehr begeistert. Das Außenministerium erinnert in seiner heutigen Erklärung für die Nachrichtenagentur ČTK daran, dass durch Aufstellung von verschiedenen Forderungen in den deutsch-tschechischen Beziehungen in der Vergangenheit Hürden entstanden sind, die Versöhnung und Vergangenheitsbewältigung gebremst haben. Das Außenministerium reagiert damit auf Informationen der Süddeutschen Zeitung (Mittwoch-Ausgabe), laut der Bundesaußenminister Joschka Fischer sich auf die Seite des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber gestellt habe. Die Bundesregierung unterstütze Stoibers Forderung an Prag nach Entschädigungszahlungen für »besonders schwer geschädigte Sudetendeutsche«, berichtete die Zeitung unter Berufung auf einen entsprechenden Brief von Fischer an Stoiber.

Sudetendeutscher Politiker für Staatsorden vorgeschlagen

02.07.2003, Dagmar Keberlová

Der sudetendeutsche Politiker Franz Spina, der vor dem Zweiten Weltkrieg Minister in tschechoslowakischen Regierungen war, ist am Mittwoch vom tschechischem Abgeordnetenhaus posthum für einen hohen Staatsorden vorgeschlagen worden. Die Nominierung sei ein »inoffizielles Signal in Richtung Vertriebene«, meldete die Nachrichtenagentur ČTK. Sollte Präsident Václav Klaus zustimmen, würde Spina die Auszeichnung vermutlich im Oktober zugesprochen. Spina habe sich zwischen 1926 und 1938 für ein friedliches Zusammenleben von Tschechen und Deutschen eingesetzt, hieß es.

Diskussion über Entschädigung an besonders schwer geschädigte Sudetendeutsche

01.07.2003, Martina Schneibergová

In der Diskussion um eine mögliche »humanitäre Geste« von Tschechien an Sudetendeutsche hat sich Bundesaußenminister Joschka Fischer nach Angaben der Süddeutschen Zeitung (Mittwoch-Ausgabe) auf die Seite des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber gestellt. Die Bundesregierung unterstütze Stoibers Forderung an Prag nach Entschädigungszahlungen an »besonders schwer geschädigte Sudetendeutsche«, berichtete die Zeitung unter Berufung auf einen entsprechenden Brief von Fischer an Stoiber. Ein Mitarbeiter des Außenministeriums in Prag sagte am Dienstagabend der Deutschen Presse-Agentur, in Tschechien werde seit einiger Zeit über »verschiedene Möglichkeiten« diskutiert. Man könne sich aber »schwer vorstellen«, dass Fischer die Forderungen von Stoiber rückhaltlos unterstütze. Auch der Vorsitzende des tschechischen Abgeordnetenhauses, Lubomír Zaorálek, nannte das erwähnte Projekt am Abend »nicht neu«. Er sei aber dagegen, Opfer des Faschismus und Opfer von Nachkriegsereignissen auf eine Stufe zu stellen, sagte der Sozialdemokrat der Prager Nachrichtenagentur ČTK.

Regierung vertagt Entscheidung über Entschädigung deutscher Minderheit

30.06.2003, Lothar Martin

Die tschechische Regierung hat am Montag ihre Entscheidung über eine »humanitäre Geste« an Angehörige der deutschen Minderheit wegen ungeklärter Detailfragen um zwei Wochen verschoben. Vermutlich erst Mitte Juli werde das sozialliberale Kabinett den stellvertretenden Regierungschef Petr Mareš mit der Bildung einer ressortübergreifenden Kommission beauftragen, teilte die Deutsche Presse-Agentur mit Verweis auf die Aussage eines Diplomaten mit. Das Gremium soll prüfen, wie viele Menschen in der unmittelbaren Nachkriegszeit aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur deutschen Minderheit in der Tschechoslowakei diskriminiert wurden. Experten schätzen die Zahl auf etwa 3000. Diese will die Regierung in irgendeiner, noch nicht näher definierten Art und Weise entschädigen.