Deutsche Welle – Monitor Ost- / Südosteuropa, 18.06.2003
Budapest, Juni 2003, SONNTAGSBLATT, Heft 3/2003, S. 4, deutsch, Nelu B. Ebinger
Der bevorstehende EU-Beitritt hat für die Ethnien (Volksgruppen, nationale Minderheiten) Ungarns schwerwiegende rechtspolitische Folgen: Das EU-Rechtssystem kennt und erkennt die Selbstverwaltung als Vertretung der Minderheiten nicht an, in der EU gibt es dafür nur zivile Organisationen (engl. NGO). Das bedeutet, dass das ungarische Minderheitengesetz radikal verändert werden muss, dass dadurch die Rolle der Vereine wieder wachsen wird. Dies wird früher oder später zur Abschaffung der LdU (Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen) und zur Gründung eines »Vereins der Vereine« führen. Ein solcher hätte schon Anfang der 90er Jahre ins Leben gerufen werden sollen, was aber an der Sturheit der damaligen und teilweise noch jetzigen ungarndeutschen Minderheitenpolitiker scheiterte.
Was für enthopolitische (minderheitenpolitische) Veränderungen stehen demnach bevor? Das Subsidiaritätsprinzip der EU, d. h. Entscheidungen sollen auf der möglichst untersten Stufe getroffen werden, wird die Bedeutung der ungarndeutschen Vereine hervorheben, ihre politische, kulturelle Rolle in den Vordergrund stellen. Sicher ist ein Zusammenhalt der landesweit unterschiedlich agierenden Vereine notwendig, was über kurz oder lang zur Gründung einer zentralen Koordinierungsorganisation anstelle der LdU führen wird. Dieser »Verein der Vereine« sollte aber nur als Koordinierungsstelle fungieren mit keinerlei Entscheidungsbefugnissen, sondern nur mit organisatorischen Aufgaben. Die Finanzierung der Vereine bliebe weiterhin Aufgabe des Parlaments. Die Wahl der Würdenträger wäre in erster Linie Sache der Mitglieder, was dem sogenannten »Ethno-Business« vorbeugen würde.
Alles in allem wird der EU-Beitritt Ungarns grundlegende Änderungen mit sich bringen, was eine breite Debatte unter den Ungarndeutschen voraussetzt, wozu die vorliegenden Gedanken einen Anstoß geben wollen. (me)