Deutsche Welle – Monitor Ost- / Südosteuropa, 05.05.2003
Moskau, 02.05.2003, 1730 GMT, Rem TV, russ.
Die russische Präsidentenadministration hat Feierlichkeiten anlässlich des 750. Jahrestages der Stadt Königsberg, als Kaliningrad bekannt, verboten. Die Feierlichkeiten sollten im Jahre 2005 stattfinden und die Vorbereitungen darauf sind bereits seit mehreren Jahren im Gange. Nun liegt ein Dokument aus Moskau vor, in dem derartige Veranstaltungen als unangebracht bezeichnet werden. Die lokale Presse reagierte sofort und stellt fest, Moskau wolle die Geschichte Ostpreußens neu schreiben.
Das Schreiben, in dem die Feierlichkeiten untersagt werden, erhielt die Administration des Gebiets Kaliningrad von der Hauptverwaltung für juristische Angelegenheiten beim russischen Präsidenten. Darin heißt es, es gebe keine historischen Gründe, das 750jährige Jubiläum von Königsberg zu begehen. Seit 1946 heiße die Stadt Kaliningrad und sie werde in drei Jahren ihr 60jähriges Jubiläum begehen.
Wie es scheint, sind Veteranen des Zweiten Weltkriegs die einzigen, die die Entscheidung des Kreml befürworten. Nina Demeschewa, Veteranin des Zweiten Weltkriegs: „Königsberg war eine deutsche Stadt. Und jetzt will man zu dem alten Namen Königsberg zurückkehren und das 750. Jubiläum feiern.“
Die Gebietsadministration war nicht glücklich darüber, dass die Feierlichkeiten gestrichen werden. Das 750. Jubiläum ist ein imposantes Ereignis und die lokalen Behörden beantragten von Moskau dafür elf Milliarden Rubel. Das 60jährige Jubiläum kann damit nicht verglichen werden und keiner wird dafür viele Mittel bereitstellen. Wladimir Jegor, Gouverneur des Gebiets Kaliningrad: „Die Stadt wird 750 Jahre alt, ob man es will oder nicht. Wir werden also das 65jährige (sic) Jubiläum des Gebietes und das 750jährige Julibäum der Stadt begehen.“
Wie die Bevölkerung von Kaliningrad dazu steht, lässt sich lokalen Internet-Foren entnehmen. Wenige Stunden nachdem bekannt geworden war, dass es keine Feierlichkeiten geben soll, gab es auf einer Web-Seite allein Dutzende von Mitteilungen, in denen man sich entrüstet darüber zeigte … In den meisten Fällen war von der „Loslösung von Russland“ die Rede.
Sergej Pasko wird als Oberseparatist des Gebiets Kaliningrad betrachtet. Er ist Chef der Baltischen Republikanischen Partei, die seit mehreren Jahren die Unabhängigkeit Kaliningrads anstrebt. Er behauptet, 100 000 Bewohner von Kaliningrad seien dafür. Für ein Referendum über Souveränität sind 180 000 Stimmen erforderlich. Nun, da Moskau wieder einmal demonstriert habe, dass es auf die Meinung der Kaliningrader keine Rücksicht nehme, werde die Zahl seiner Anhänger beträchtlich steigen. Pasko: „Wir sind durch mehrere Grenzen für immer von Russland getrennt. Die nationale Identität wird hier immer stärker. Ich glaube, dass dieser Schritt des Kreml den Menschen einen zusätzlichen Ansporn geben wird, die Eigenständigkeit anzustreben.“
Viele Bewohner von Kaliningrad erklären, dass sie den Anweisungen aus der Präsidentenadministration nicht folgen und das 750jährige Jubiläum von Königsberg begehen werden. Wenn dies nicht offiziell erlaubt werde, dann werde es Feierlichkeiten im Untergrund geben. (TS)