Pressemitteilung des Bundes der Vetriebenen • 14.03.2007
Zu den Warnungen des Bielefelder Historikers Hans-Ulrich Wehler vor einem angeblichen deutschen Opferkult im Zusammenhang mit der Aufarbeitung von »Flucht und Vertreibung« stellt die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach MdB fest: es war hoch an der Zeit auch deutschen Opfern mehr Mitgefühl entgegen zu bringen. Steinbach ruft dazu auf, die deutsche Geschichte in all ihren Facetten unvoreingenommen zu betrachten.
»Der Bielefelder Geschichts-Emeritus Hans-Ulrich Wehler hat in der Diskussion um den viel beachteten ARD-Zweiteiler Die Flucht angemahnt, keinen ›neuen deutschen Opferkult‹ zu betreiben. Unabhängig davon, dass von einem ›alten‹ Opferkult nie etwas zu verspüren war, sondern nur viel Verkrampftheit, Verbohrtheit und Indolenz im Umgang mit deutschen Opfern und ihren Schicksalen im Zweiten Weltkrieg und in den Jahren danach, verkennt Wehler das unübersehbare Bedürfnis gerade junger Menschen, sich umfassend auch diesen Teilen unserer gesamtdeutschen Geschichte zuzuwenden, mit volkspädagogischen Jeremiaden lässt sich niemand mehr einschüchtern.
Geschmacklos aber ist seine Feststellung, es ›grause‹ ihm davor, wenn das Thema der Massenvergewaltigungen in Ostdeutschland jetzt ›drankomme‹. Wohlgemerkt – nicht vor den Massenvergewaltigungen, die für heute noch zu Hunderttausenden lebende traumatisierte Opfer die prägendste und fürchterlichste Erinnerung an Kriegsende und Nachkriegszeit sind, graust ihm, sondern davor, dass sie endlich offen beim Namen und auch in ihrer ungeheuerlichen Dimension genannt werden.
Diese Massenverbrechen an ungezählten deutschen Mädchen und Frauen jeden Alters waren keine Anhäufung individueller Delikte, sondern eine Form systematischer sexueller Kriegführung, um den Feind in Gestalt unschuldiger Zivilisten vollends zu demoralisieren und innerlich zu zerbrechen. Viele die es überhaupt überlebten, sind für immer gezeichnet geblieben. Nein: Keine Vielzahl von Einzeltaten, sondern ein vielfaches Staatsverbrechen, zu dem auch systematisch aufgestachelt und gehetzt wurde.
Es mag Wehler verstören, dass die Zeiten des Verschweigens dieses Teils deutscher Geschichte dahin sind, aber er sollte das nicht in so herablassender Weise den am Schlimmsten getroffenen Opfern gegenüber artikulieren.«