Russische Staatsduma gegen »entschädigungslose Rückgabe« an Bremen

Moskau, 12.03.2003, INTERFAX

Die Staatsduma der Russischen Föderation hat am Mittwoch (12.03.) Präsident Wladimir Putin aufgerufen, keine entschädigungslose Rückgabe der Bremer Sammlung von Kunstschätzen, die nach dem Zweiten Weltkrieg in unser Land verbracht wurden, durch das russische Kulturministerium an Deutschland zuzulassen, heißt es in einem fast einstimmig – 347 »Ja«-Stimmen, eine Enthaltung – verabschiedeten Appell an das Staatsoberhaupt, das vom Vorsitzenden des Duma-Ausschusses für Kultur, Nikolaj Gubenko, initiiert wurde. In dem Appell wird unter anderem hervorgehoben, dass durch einen Erlass des Kulturministers vom 25. Februar aus dem Museumsfonds der Russischen Föderation 364 Exponate ausgeschlossen wurden, die aus der Bremer Kunsthalle stammen und in der Eremitage aufbewahrt werden. Die Duma rief den Präsidenten auf, »das zu verhindern und Fachleuten die Möglichkeit zu geben, das Problem allseitig zu prüfen, um der deutschen Seite Vorschläge über einen gleichwertigen Austausch zu unterbreiten«. In dem von der unteren Kammer verabschiedeten Dokument wird der Gesamtwert der Sammlung mit 1,5 Milliarden Dollar eingeschätzt. (lr)

Viktor Baldin, Kapitän der Sowjetarmee, rettete 362 Gemälde

Moskau, 13.03.2003, INTERFAX

Ein Beamter des Kulturministeriums der Russischen Föderation ist mit der Behauptung nicht einverstanden, dass seine Behörde in der Frage der Übergabe der Sammlung der Bremer Kunsthalle, die in der Eremitage aufbewahrt wird, an Deutschland in Umgehung der Gesetzgebung handelt. »Es ist vorläufig keine Entscheidung über die Übergabe der ‚Baldin-Sammlung‘ getroffen worden. Alles, was das Kulturministerium im Zusammenhang mit dieser Sammlung unternimmt, entspricht der geltenden Gesetzgebung«, erklärte der stellvertretende Leiter der Abteilung für die Erhaltung von Kunstschätzen und Leiter der Abteilung für verschleppte Kunstschätze beim Kulturministerium des Russischen Föderation, Aleksandr Kibowskij, am Donnerstag (13.2.) im Sender »Echo Moskwy«.

Am 12. März hatte die Staatsduma der Russischen Föderation Präsident Wladimir Putin aufgerufen, keine entschädingungslose Rückgabe der Sammlung an Deutschland zuzulassen.

Aleksandr Kibowskij erläuterte, dass es sich um 362 Gemälde und Grafiken aus der Bremer Kunsthalle handelt, die vom Kapitän der Sowjetarmee, Viktor Baldin, im Jahr 1945 gerettet worden seien. Aleksandr Kibowskij zufolge versuchte Viktor Baldin seit 1973, diese Sammlung an Bremen zurückzugeben, da er der Ansicht war, dass die Gegenstände in das Museum zurückkehren müssen, aus dem sie verschwunden waren. »All seine Appelle an das ZK der KPdSU, am Breschnew, Gorbatschow und Jelzin haben jedoch nichts gebracht. Viktor Baldin verstarb im Jahr 1997 ohne dass sein Wunsch in Erfüllung ging«, so der Vertreter des Kulturministeriums.

Im Jahr 1991 sei die Sammlung an das Kulturministerium der UdSSR übergeben und zeitweilig in der Staatlichen Eremitage aufbewahrt worden. Vor kurzem sei jedoch ein Beschluss gefasst worden, gemäß dem die Eremitage die Kunstschätze ans Kulturministerium zurückgeben muss.

Aleksandr Kibowskij unterstrich, dass »das Recht der Bremer Kunsthalle auf diese Sammlung immer bestand, da es nicht an Baldin übergegangen ist und da die Kunstschätze nicht als Entschädigung für unsere Verluste ausgeführt worden sind.« Er erläuterte ferner, dass die Bremer Sammlung nicht unter das Gesetz über Kunstschätze fällt, die infolge des Zweiten Weltkrieges in die UdSSR gebracht wurden, da sie von einer Privatperson ausgeführt wurde. Über deren Schicksal müsse das Bürgerliche Gesetzbuch und das Gesetz über die Aus- und Einfuhr von Kunstschätzen entscheiden.

Nach Einschätzung von Aleksandr Kibowskij »muss diese Sammlung an Deutschland zurückgegeben werden, es müssen die Gesetze eingehalten werden und es muss dem Willen des Frontsoldaten nachgekommen werden, der am besten verstand, wer wem und was für die Tragödie schuldet, zu der es gekommen ist«. (lr)

Kulturminister Schwydkoj: »Juristisch alles einwandfrei«

Moskau, 13.03.2003, INTERFAX

Der Kulturminister der Russischen Föderation, Michail Schwydkoj, hat erklärt, die Übergabe der Bremer Kunstsammlung an Deutschland sei in vollem Einklang mit dem Gesetz. »Das Kulturministerium der Russischen Föderation macht alles nach bestem Gewissen und verfährt juristisch absolut einwandfrei«, erklärte er am Donnerstag (13.3.) bei einer Pressekonferenz in Moskau. Michail Schwydkoj unterstrich, dass die dieser Tage von Nikolaj Gubenko, dem Vorsitzenden des Duma-Ausschusses für Kultur und Tourismus, geäußerten Beschuldigungen gegenüber dem Kulturministerium über »geheime« Verhandlungen mit Deutschland und die gesetzwidrige Übergabe von 364 Gegenständen der Bremer Kunsthalle »juristisch unrechtmäßig sind«.

Der Minister teilte mit, dass Verhandlungen über die Übergabe der Sammlung der Bremer Kunsthalle an die deutsche Seite seit zwei Jahren geführt werden. »Wir haben daraus kein Geheimnis gemacht. Und am 8. Februar dieses Jahres teilte ich Journalisten in Berlin mit, dass diese Sammlung am 29. März in Deutschland ausgestellt wird«, sagte Michail Schwydkoj.

Er teilte weiter mit, dass er noch keine Verordnung über den Ausschluss der Bremer Sammlung aus dem Staatlichen Museumsfonds unterzeichnet hat, dass sich die Sammlung weiterhin im Staatlichen Museumsfonds Russlands befinde. (lr)

Wie wertvoll sind die deutsch-russischen Beziehungen?

INTERFAX, russ., 13.03.2003, russ.

Im Föderationsrat wird der Appell der Staatsduma an den Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, die Übergabe der Bremer Sammlung an Deutschland nicht zuzulassen, nicht unterstützt. Wie der Vorsitzende des Kulturausschusses der oberen Parlamentskammer, Wiktor Schudegow, in einem »Interfax«-Interview sagte, passe die Übergabe der Kunstschätze an Deutschland in die Rahmen des Restitutionsgesetzes. »Dieses Gesetz gilt und muss eingehalten werden«, so der Ausschussvorsitzende. (...)

Der Vorsitzende des Ausschusses für Verfassungsgesetzgebung des Föderationsrates, Jurij Scharandin, bezeichnete den Appell der Abgeordneten an das Staatsoberhaupt als »eine rein propagandistische Aktion«. Jurij Scharandin zufolge sind die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland viel mehr wert, als die Summe von 1,5 Milliarden Dollar, mit der die Abgeordneten die Bremer Sammlung bewerteten. »Ich bin überzeugt, dass die Rückgabe dieser Sammlung kein einseitiges Geschenk sein wird und Russland dadurch nicht ärmer wird«, unterstrich Jurij Scharandin. (...) (lr)