Karl-Markus Gauß auf Besuch bei deutschsprachigen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa
Clemens Ruthner

KakanienRevisited • 25.08.2006

[…] In der Optik von Gauß’ literarischer Spurensicherung klingt dies alles keineswegs kitschig und schon gar nicht revanchistisch. Denn der Autor zeigt auch immer wieder, wie im Osten Europas sich die Geschichtsbilder für Mehrheiten ebenso wie für Minderheiten verzerren: In einem Verfahren, das man comparative suffering oder »Leidneid« nennen könnte (»Wer hat größeren Ruhm als Opfer verdient?« – p. 30), wird die Katastrophe des Holocaust mit dem Leiden der eigenen Gruppe in Beziehung gesetzt – mit dem Ergebnis, dass man selbst natürlich immer am meisten gelitten hat: Seien diese Selbste nun UkrainerInnen, LitauerInnen, SlowakInnen oder die örtlichen deutschsprachigen Minderheiten. […]