In Polen wird weiter heftig über die SS-Mitgliedschaft des Nobelpreisträgers gestritten. Der Fall dient mehr und mehr als Material der innenpolitischen Auseinandersetzung
Helga Hirsch

Die Welt • 16.08.2006

[…] Dem Kommentator der Tageszeitung Rzeczpospolita scheint das späte Bekenntnis von Grass hingegen weit über den einzelnen Fall hinaus ein bedrohliches Zeichen für den fortschreitenden Geschichtsrevisionismus in Deutschland. »Im Zuge der historischen Umwertungen, die in Deutschland seit einiger Zeit andauern, bildet der Dienst in der SS schon keine Schande mehr, vielmehr erweist er sich als keine schlechte Promotion für ein neues Buch. Schon seit langem haben sich die Deutschen eingeredet, dass sie eine tüchtige, ritterliche Wehrmacht besaßen und die Verbrechen nur von der SS begangen wurden; jetzt sind sie herangereift zur These, dass es eine schlechte SS mit den Einsatzgruppen gab, aber auch eine ritterliche, tüchtige Waffen-SS.« […]