Bayerns Ministerpräsident will sich nachdrücklich für ein Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin einsetzen

Deutsch-Tschechische Presseagentur • 26.01.2006

München. Bayerns Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber hat die Integration von mehr als zwei Millionen Vertriebenen in der Nachkriegszeit als eine herausragende historische Leistung der Menschen in Bayern gewürdigt. Beim Festakt zum 20-jährigen Bestehen des Sudetendeutschen Hauses in München sagte Stoiber: »In schwierigsten Zeiten haben die bayerische Bevölkerung und die Vertriebenen zueinander gefunden und gemeinsam das moderne Bayern geschaffen. Sie sind die besten Vorbilder, dass ein starker sozialer Zusammenhalt ein absoluter Erfolgsfaktor für ein ganzes Land ist.« Nach dem Krieg habe es ein Wirtschaftswunder und auch ein Integrationswunder gegeben. Stoiber: »Ohne sozialen Frieden, ohne den inneren Zusammenhalt der Gesellschaft, ohne das mutige Anpacken aller Menschen in Bayern hätte der Freistaat den Wandel vom Agrar- zum High-Tech-Land nicht vollziehen können. Altbayern, Franken, Schwaben und Vertriebene können stolz sein auf diese großartige, vorbildliche Leistung.«

Stoiber kündigte an, im Bayernjahr 2006 werde man besonders auch an die geglückte Integration der Vertriebenen in Bayern erinnern. Aus dem Zusammenhalt der vier Stämme sei bis heute eine starke bayerische Identität entstanden. Stoiber: »Nirgendwo in Deutschland ist das Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen mit ihrem Staat so eng, so emotional und so intensiv wie in Bayern. Die Liebe der Menschen zu Bayern ist die Wurzel für die Stärke Bayerns und die besondere Lebensqualität in unserem Land.«

Stoiber kündigte an, sich in der Großen Koalition nachdrücklich für ein Zentrum gegen Vertreibungen einzusetzen. In Berlin solle ein sichtbares Zeichen gesetzt werden, um an das Unrecht von Vertreibungen zu erinnern und Vertreibung für immer zu ächten. Stoiber: »Vertreibung ist Unrecht und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Daran müssen wir gerade die kommenden Generationen immer wieder erinnern. Für ein freundschaftliches Miteinander muss Europa die dunklen Seiten seiner neueren Geschichte aufarbeiten. Ein Zentrum gegen Vertreibungen kann hier einen wichtigen Beitrag leisten und steht in Berlin am richtigen Ort.«

Stoiber lobte zugleich die Besonnenheit der Vertriebenen bei der Bewältigung ihrer schlimmen historischen Erfahrungen. Es sei ihr großes und bleibendes historisches Verdienst, dass sie bereits mit ihrer Charta von 1950 einen entscheidenden Schritt zur Versöhnung getan und sich gegen Rache und Vergeltung ausgesprochen hätten. Stoiber bot Tschechien zugleich eine weitere Verstärkung des Dialogs an und sagte den Sudetendeutschen die Unterstützung des Freistaats zu. Stoiber: »Die Beziehungen zwischen Bayern und der Tschechischen Republik haben sich seit Anfang der 90er Jahre gut entwickelt. Dennoch gibt es bis heute offene, nicht gelöste Fragen. Wir brauchen 60 Jahre nach der Vertreibung endlich einen historischen Durchbruch. Die Hände der Sudetendeutschen und des Freistaats Bayern als Schirmherr sind ausgestreckt. Wir sind bereit zum Dialog. Es wäre ein Sieg der Humanität, des Rechts und der Europäischen Verfassungsgemeinschaft, wenn am Ende des Dialogs etwa die Aufhebung der Beneš-Dekrete stünde.«

Bayern sei stolz auf seine mehr als 50-jährige Schirmherrschaft über die Sudetendeutsche Volksgruppe. Das sudetendeutsche Haus, das vom Freistaat unterstützt wird, sei ein sichtbarer Ausdruck dieser Schirmherrschaft Bayerns über seinen vierten Stamm. Als Begegnungs-, Kultur- und Wissenschaftszentrum sei das Sudetendeutsche Haus in 20 Jahren zum geistig-kulturellen Mittelpunkt der sudetendeutschen Volksgruppe und zu einem Brückenpfeiler im Dialog mit den tschechischen Nachbarn erwachsen.