Soll und Habenmüssen: Jetzt rechnet Niklas Frank mit seiner Mutter ab, der »Königin von Polen«
Hendrik Werner

Die Welt • 16.07.2005

[…] Meine deutsche Mutter indessen lautet die 18 Jahre darauf veröffentlichte Fortsetzung dieser ungeheuerlichen Familiengeschichte, in der die Lebensbeschreibung des »Schlächters von Polen« durch jene der »Königin von Polen« über weite Strecken sinnfällig ergänzt und kommentiert wird. Zweierlei leistet Frank durch diese kaum zufällige Benennungsstrategie: Zum einen situiert er die eigene Lebensgeschichte rhetorisch noch konsequenter und auswegloser als in dem Vorläuferband innerhalb seiner unabweisbaren, unfliehbaren, unhintergehbaren Familienbande und –schande. Zum anderen zeigt das besitzanzeigende Fürwort »Meine« ein für den Nachgeborenen, dem keine Gnade der späten Geburt vergönnt war, bestimmendes Charakteristikum seiner dominanten Mutter an: rückhaltloses Besitzstreben, pathologische Eigentumsfixierung, Gier bis hin zur willfährigen Aufgabe jeglicher moralischer und zivilisatorischer Konvention – den seidenen Morgenmantel, »ein Relikt aus Krakaus Getto«, trägt Brigitte Frank noch auf ihrem Sterbebett. […]