Warschauer Buchmesse
Richard Kämmerlings

Frankfurter Allgemeine Zeitung • 25.05.2005

[…] Polens Literatur ging so zuletzt in mancher Hinsicht einen Sonderweg. Während in anderen postkommunistischen Ländern die Umbruchszeit und die Absurditäten des ungebremsten Kapitalismus sogleich Thema wurden (man denke etwa an Wiktor Pelewin in Russland oder den Tschechen Jáchym Topol), wichen hier die Jüngeren der Gegenwart auffällig aus. Beata Sasinska vom renommierten Literaturverlag »W.A.B.« sieht die Gründe dafür im Fehlern einer realistischen Erzähltradition in Polen, wo die Schriftsteller die Wirklichkeit stets entweder romantisch verklärt oder grotesk verzerrt hätten. Vielleicht hat aber auch die übermächtige Präsenz der Älteren – wie Wajda, Szymborska oder Miłosz –, die den Typ des Künstlers als moralische Instanz exemplarisch verkörperten, die nachwachsende Generation stärker auf das eigene Ich zurückgeworfen. […]