Im Haus der Ungarndeutschen entsteht das »Ungarndeutsche Kultur- und Informationszentrum«
Julia Ucsnay
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Monika Ambach •

Große Vorhaben brauchen heutzutage nur noch wenig Platz. Gerade mal 24 Quadratmeter mißt der Raum, in dem in den nächsten Monaten und Jahren etwas entstehen wird, was eigentlich recht umfangreich klingt: das »Ungarndeutsche Kultur- und Informationszentrum«. Noch wirkt das Büro kahl, nicht einmal ein Schreibtisch steht darin. Mónika Ambach, im Oktober vergangenen Jahres zur Direktorin des entstehenden Zentrums ernannt, ist jedoch schon oft an ihrem neuen Arbeitsplatz im Haus der Ungarndeutschen. Die 26jährige entwickelt Strategien, trifft sich mit Computerfachleuten, sucht Büromöbel aus und präsentiert erste Logoentwürfe. NZ traf die neue Büronachbarin zu einem Gespräch über Pläne, Möglichkeiten und Hoffnungen.

Frau Ambach, unter dem Namen »Ungarndeutsches Kultur- und Informationszentrum« kann man sich vieles vorstellen. Im Vorfeld gab es zahlreiche Spekulationen - könnten Sie kurz die entstehende Einrichtung mit ihren Zielen beschreiben?

Geplant ist eine zentrale Datenbank, die alles zusammenträgt, was mit dem Ungarndeutschtum zu tun hat. Auf diese Weise soll die Zusammenarbeit der verschiedenen Vereine, Institutionen, Schulen, Selbstverwaltungen, Medien und Einzelpersonen gefördert, die Kommunikation erleichtert werden. Dieses virtuelle Zentrum soll aber nicht nur den Ungarndeutschen dienen. Auch nach außen hin wird die Datenbank ein moderneres, umfassenderes Bild der deutschen Minderheit liefern, als dies bisher möglich war. Jeder Interessierte soll sich auf einfachem Wege über die Geschichte und die Aktivitäten der deutschen Volksgruppe in Ungarn informieren können.

Könnten Sie kurz erklären, wie man das virtuelle Zentrum nutzen kann?

Ein einfaches Beispiel: Wenn sich jemand für Chormusik interessiert, kann er der Datenbank entnehmen, an welchen Orten Auftritte stattfinden. Es soll so etwas wie ein Kulturkalender eingerichtet werden, der die Programme der einzelnen Selbstverwaltungen und Vereine auflistet. Ich stelle mir aber auch vor, daß man innerhalb der Datenbank von einem Thema zum anderen springt und so ein Informationsgewinn stattfindet. Wenn sich jemand etwa über ungarndeutsche Literatur informiert, gelangt er durch ein Link auch auf die Seiten der ungarndeutschen Künstler - und erfährt auf diese Weise, wie viele Maler und Bildhauer die deutsche Minderheit hervorgebracht hat.

Wer sammelt diese Informationen und wie gelangen sie in die Datenbank?

Über diesen Punkt ist noch nichts entschieden. Vielleicht werden alle Informationen mir zugetragen, vielleicht erhalten auch die Selbstverwaltungen internen Zugang zur Datenbank und speisen ihre Informationen und Programme direkt ein.

Um zur Datenbank und an die Informationen zu gelangen, ist ein Internetzugang notwendig. Was ist mit älteren Leuten, die sich mit der neuen Technik vielleicht nicht so gut auskennen?

Sie können mich direkt anrufen oder einen Brief schreiben, oder sie setzen sich einfach mit dem Enkel oder der Enkelin vor den PC. Vielleicht bekommen dann auch die Jüngsten Lust, sich in der Datenbank umzuschauen. Natürlich können aber auch die Regionalbüros als Vermittler dienen.

Das entstehende Zentrum ist eine Einrichtung der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen (LdU). Welche Faktoren haben bei Ihrer Ernennung zur Direktorin eine Rolle gespielt?

Ich denke, daß meine Erfahrungen mit der deutschen Minderheit ausschlaggebend waren. Schon als Kind und Jugendliche habe ich aktiv mitgemacht, war jahrelang in einer Tanzgruppe und habe im Jugendorchester Klarinette gespielt. Das war ganz natürlich für mich, ich habe nie darüber nachgedacht. In meinem Heimatort Bawaz war es selbstverständlich, daß man sich auf der Straße deutsch gegrüßt hat. Erst im Gymnasium wurde mir bewußt, daß ich in dieser Hinsicht ein großes Plus mitbekommen habe, daß eben nicht jeder in Ungarn Deutsch spricht und sich zwei Kulturen verbunden fühlt. Ich habe dann Kommunikation, Germanistik und Deutsch als Nationalitätenfach studiert und nebenher beim Unifernsehen gearbeitet. Später konnte ich bei meiner Arbeit für »Unser Bildschirm« die deutsche Sprache mit meinem Interesse für Medien verbinden. Was ihre Identität für Ungarndeutsche bedeuten kann, was für sie interessant ist, weiß ich auch durch meine vierjährige Tätigkeit als Vorsitzende der Minderheitenselbstverwaltung in Bawaz.

Was erhoffen Sie sich von Ihrer neuen Stelle?

Der Reiz und die Herausforderung liegt für mich darin, scheinbar Verstaubtes, der Vergangenheit Angehörendes mit den modernen Mitteln der neuen Medien aufzubereiten. Die Datenbank soll den Leuten Lust machen, sich mit der deutschen Minderheit zu befassen. Auf diesem sehr einfachen Weg hoffe ich, andere motivieren zu können, sich in dieses große Projekt einzubringen.

Wann wird das Ungarndeutsche Kultur- und Informationszentrum fertiggestellt sein?

Wenn alles gut läuft, soll gegen Ende des Jahres eine Testphase starten. Bis das Projekt aber richtig steht, werden wohl zwei Jahre vergehen. Bis dahin gilt es, das Konzept im ganzen Land bekannt zu machen, an einem Image zu arbeiten, mit dem sich möglichst viele Leute identifizieren können. Meine Arbeit wird dann erfolgreich, wenn immer mehr Institutionen und Einzelpersonen die Datenbank nutzen und hiermit ihre Tätigkeit und Zusammenarbeit erleichtert wird.

Die Veröffentlichung des Artikels erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Neuen Zeitung.