Das deutsche Judentum stand vor dem Aussterben. Dann kamen die russischen Zuwanderer und füllten die Synagogen. Jetzt will man sie nicht mehr haben. Warum bloß?
Till R. Stoldt

Welt am Sonntag • 06.02.2005

Was neues deutsches Judentum ist, erlebte Rafael Seligmann, als er kürzlich das Konzert eines jüdischen Jugendorchesters besuchte. Der Schriftsteller erwartete russische, leicht altbackene Folklore. »Aber kaum hatte ich Platz genommen«, erinnert er sich, »ging mir das Herz auf.« Dreißig Jugendliche, allesamt jüdisch-russische Zuwanderer, betraten die Bühne, die Hemden weiß, Hosen und Röcke dunkel. Erst spielten sie Prokofjew, dann, zu aller Überraschung, Mozart und Bach. »Virtuose Musiker!« schwärmt Seligmann. »Auch beim Gesang hörte man keinerlei Akzent.« Anschließend sprang das Publikum auf und jubelte. Auch Seligmann war begeistert – nicht nur als Musikfreund, sondern auch als Jude. Denn allen Vorurteilen trotzend waren diese jüdischen Zuwanderer »keine alten, Deutsch stammelnden Sozialhilfeempfänger. Sie waren die deutsch-jüdische Zukunft!« […]