Michail BulgakowsWeiße Garde als ukrainisches Lehrstück
Jens Jessen

Die Zeit Nr. 51 • 09.12.2004

[…] Das Fürchterlichste für Bulgakow aber war nicht die bolschewistische Revolution, die der Theologensohn aus Kiew von Herzen hasste, sondern die Entstehung des modernen ukrainischen Nationalismus. Die Deutschen hatten, um ihr Marionettenregime zu legitimieren, aus der Tiefe der Geschichte die Hetman-Verfassung des 17. Jahrhunderts wieder ausgegraben und nach dem Vorbild des Hetmans Bogdan Chmielnicki, der sich 1648 gegen die Polen erhoben hatte, den Hetman Pavlo Skoropadsky erkoren. Skoropadskys Leute kommen mit Fellschwänzen auf den Kosakenmützen und der ukrainischen Grammatik eines gewissen Ignati Perpillo. Sie leisten keinen Widerstand gegen die deutsche Besetzung, aber treiben Identitätspolitik. »Wer hat die Aufstellung einer russischen Armee verboten? Der Hetman. Wer hat die russische Bevölkerung terrorisiert mit dieser scheußlichen Sprache, die es gar nicht gibt? Der Hetman. Wer hat das ganze Pack mit den Schwänzen auf dem Kopf herangezüchtet? Der Hetman.« […]

  • Kiew 1918

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